Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit den Augen der Fremden

Mit den Augen der Fremden

Titel: Mit den Augen der Fremden
Autoren: Gordon R. Dickson
Vom Netzwerk:
der Rasse und der Hauptwelt von vier Sonnensystemen, die die Ruml kolonisiert hatten.
    Trotzdem war Jason voll beschäftigt. Einer der Gründe, die dazu geführt hatten, daß man gerade ihn als Freiwilligen ausgewählt hatte, war, daß er zeichnen konnte. Das war ihm bei der Beobachtung wilder Tiere in ihrer natürlichen Umgebung sehr gelegen gekommen. Wenn er ein Tier, einen Vogel, ein Reptil oder Insekt skizzierte, so hatte er festgestellt, daß er es nicht nur sehr viel sorgfältiger beobachtete, als wenn er ein Foto davon anfertigte, sondern daß er sich auch gut genug an die Beobachtung erinnern konnte, um sich selbst kleinste Einzelheiten ins Gehirn zurückrufen zu können. Jetzt verbrachte er seine Tage damit, für den Ausschuß die Instrumente, Werkzeuge und Geräte im Inneren des Ruml-Aufklärers zu skizzieren.
    Er stellte fest, daß er keinen eigentlichen Gedankenkontakt mit Kator hatte, ebensowenig wie Menschen, die den winzigen Mechanismus benutzten, die Gedanken eines anderen Menschen hatten lesen können. Er sah mit Kators Augen, fühlte mit Kators Sinnen, und die ausgeprägten Emotionen Kators erzeugten in ihm Parallelemotionen. Ferner gelang es ihm gelegentlich, Erinnerungen Kators aufzufangen und zu interpretieren, wenn dieser sich besonders stark darauf konzentrierte. Allerdings erlebte Jason solche Erinnerungen nicht als Bilder, wie Menschen sie sehen, sondern als Licht- und Schatteneindrücke, als Muskelspannungen, als Emotionen und Gespräche.
    Diese Gespräche waren es auch, die Jason anfangs am meisten beunruhigten. Bis jetzt hatte Kator niemanden gehabt, mit dem er reden konnte, und er hatte auch keine Veranlassung zu reden. Die Gespräche, an die er sich erinnerte, kamen als höchst eigenartige Doppelempfindung zu Jason. Er hörte dann in seinem menschlichen Ohr den Widerhall fremder Laute in der tiefen Stimme der Ruml. Die Kinnladen der Ruml waren länger und schmaler als die der Menschen, und auch im Mund und in der Kehle gab es ausgeprägte Unterschiede. Insbesondere kannte die Sprache der Ruml keine Gaumen- und keine Nasallaute; Laute wie m, n, c und tsch fehlten völlig. Andererseits war ihre dickere, schmalere Zunge in der Lage, das t, d und l in einer Art und Weise zu rollen, wie das für Menschen völlig unmöglich war. Wenn Jason mit ihm in Kontakt war, hörte er aber sich selbst in seiner Erinnerung diese Laute erzeugen und erhielt gleichzeitig gewisse Eindrücke von ihrer Bedeutung.
    Es war notwendig, das Wort „Eindruck“ zu definieren, und zwar auch für sich selbst. Was ihn nämlich störte, war etwas, das bisher noch nie einen Menschen gestört hatte, der auf der Erde eine fremde Sprache benutzte. Um es klar, wenn auch etwas verwirrend, auszudrücken, begriff Jason völlig, woran Kator sich erinnerte. Aber sein menschlicher Verstand war oft nicht in der Lage, dieses Verstehen in menschliche Begriffe zu übertragen.
    Wenn Kator zum Beispiel hungrig war, so sah er dies so, daß er sich „gestattete“ zu hungern. Und dennoch hatte auch er keine bewußtere Kontrolle über seine körperliche Empfindung des Bedürfnisses der Nahrungsaufnahme, als das bei Jason der Fall war. Der Unterschied lag tief vergraben in einem Labyrinth instinktiver und sozialer Aspekte, die die Kultur der Ruml von der der Menschen unterschied.
    „Ich verstehe es, aber ich kann es nicht immer übersetzen. Und ich kann ohnehin nur selten perfekt übersetzen“, sagte Jason eines Abends, zehn Tage nach dem ersten Kontakt, zu Mele. Sie saßen in ihrem Büro, und er zeigte ihr die Skizzen, die er an jenem Tag gemacht hatte, während sie dienstlich unterwegs gewesen war. „Nicht nur die Zeichen und Etiketten der Instrumente am Armaturenbrett des Aufklärers …“ – er deutete auf die Skizze – „… sondern auch die Instrumente selbst kommen nicht ganz richtig heraus, wenn ich sie skizziere. Vielleicht sehen Kators Augen mit einem etwas anderen Spektrum als wir.“
    „Es fasziniert dich, nicht wahr?“ fragte sie plötzlich und unerwartet.
    Etwas zuckte in ihm, ohne daß er es zu kontrollieren vermochte. Er blickte auf und sah, wie ihre braunen Augen – hellere als die seinen – ihn scharf beobachteten.
    „Ja“, sagte er, bemüht, seine Stimme gleichmäßig zu halten, „ja, ich denke schon, sie sind wie eine neue Tierspezies …“
    „Nein“, unterbrach sie ihn. „Ich meine nicht die Ruml. Ich meine, daß dich der Prozeß des Kontakts an sich fasziniert.“
    „Nicht … fasziniert …“ sagte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher