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Mit dem Wolf in uns leben. Das Beste aus zehn Jahren Wolf Magazin (German Edition)

Mit dem Wolf in uns leben. Das Beste aus zehn Jahren Wolf Magazin (German Edition)

Titel: Mit dem Wolf in uns leben. Das Beste aus zehn Jahren Wolf Magazin (German Edition)
Autoren: Elli H. Radinger
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hier nicht, warum griffen sie nicht an? Als sie sich aufrichtete und die Metallstange für den nächsten Schlag erhob, erkannte sie den großen Wolf von gestern wieder. Den, der sie von dem Felsvorsprung angesehen hatte. Doch mit seinem unsicheren, torkelnden Gang und der stark blutenden Kopfwunde sah er jetzt weitaus weniger gefährlich aus. Der erste Wolf gesellte sich zu ihm und begann, seine Wunde zu lecken. Sie sahen noch einmal auf sie zurück, wendeten sich dann ab und liefen langsam in die Richtung der Schlucht, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen.
    Sie sah ihnen nach, froh, wieder überlebt zu haben. Doch irgendwo in ihrem Innern nagte der Zweifel über das, was aus unerklärlichen Gründen nicht passiert war. Und irgendwie beschlich sie ein merkwürdiges Befremden, das sie sich nicht erklären konnte. Mit ihren zusammengebissenen Zähnen und dem zum Schlag erhobenen Arm, dessen Hand fest den Radschlüssel umklammerte, kam sie sich … irgendwie … dumm vor.
    Die Aussicht auf ein baldiges Ende dieses Horrortrips trieb sie schließlich weiter. Der Wald lichtete sich und ging in eine mit niedrigen Büschen bewachsene Fläche über, die sie schneller vorankommen ließ. Einmal glaubte sie sich wieder beobachtet. Doch so sehr sie sich auch umsah und lauschte, die Wölfe blieben verschwunden. Sollten sie nur kommen, sie würde es ihnen schon zeigen! Jetzt, wo sie ihnen mehrmals entkommen war, ohne einen Kratzer abbekommen zu haben, und sogar zwei von ihnen verletzt hatte, fühlte sie sich etwas sicherer.
    Die aus Baumstämmen errichtete Hütte, die schließlich hinter einem Hügel auftauchte, sah einfach wunderbar aus. Es hätte auch eine windschiefe, zerfallene Ruine sein können – der Rauch, der aus dem kleinen Schornstein quoll, war der schönste Anblick, den sie sich im Moment vorstellen konnte.
    Noch ehe sie die grob bearbeitete Tür erreicht hatte, schallte ihr auch schon ein freudig-verwundert-ängstliches „Yvonne!“ entgegen. Der Anblick ihres Vaters, der da auf sie zustürzte, war der schönste Anblick, war sogar noch weitaus schöner als der des Rauchs.
    „Vater!“, rief sie mit erschöpfter, aber überglücklicher Stimme.
    „Mein Gott, Yvonne, was machst du denn hier? Du siehst ja schlimm aus! Was ist passiert?“
    „Später, Vater, spät…“
    „Meine Güte! Komm erst mal rein und wärm dich! Warte, ich helfe dir!“
     Sie stützte sich auf ihn, bemüht, ein wenig zu lächeln.
    „Ich freu mich ja so, dass du hier bist!“
    „Du glaubst gar nicht, wie ich mich erst freue …“
    „Ich habe dir so viel zu erzählen und du doch sicher auch. Pass auf, die Tür. He, was schleppst du denn da für einen Schraubenschlüssel mit dir herum?“
    „Später, bitte!“
    „Okay, okay, stell dich hier neben den Ofen. Du musst erst mal aus den nassen Sachen raus.“
    Irgendwo, nicht weit entfernt, heulte ein Wolf.
    Sie erstarrte, entspannte sich aber sofort wieder. Jetzt war sie in Sicherheit, der Albtraum war vorbei. Sie musste ihm unbedingt erzählen, in welcher gefährlichen Gegend er hier lebte. Dass überall diese Bestien herumliefen, und dass sie sie fast getötet hätten. Dreimal hatten sie es ja versucht. Wieso hat er eigentlich kein Gewehr?, dachte sie, als sie ihren Blick über die kärgliche Einrichtung des Zimmers schweifen ließ. Wusste er doch nichts von ihnen?
    Der Wolf heulte wieder, und diesmal stimmten andere mit ein.
    „Ah, hörst du das? Hörst du, wie sie heulen? Wundervoll, nicht wahr? Es klingt ein wenig traurig, aber wunderschön. Ich muss dir meine Freunde unbedingt einmal vorstellen, wenn du wieder bei Kräften bist! Du als Stadtmensch hast doch bestimmt noch keinen richtigen Wolf gesehen. Kein Wunder, wo man sie praktisch überall ausgerottet hat. Doch hier, hier gibt es noch welche, und ich habe bereits eine Menge von ihnen lernen können. Übermorgen können wir ja einmal zu der kleinen Schlucht hinter dem Wald gehen, wo sie ihre Jungen aufziehen. Das musst du gesehen haben!“
    Er wandte sich dem Ofen zu und legte ein paar Holzscheite nach.
    „Du glaubst ja gar nicht, was man den Wölfen alles nachsagt. Jeder glaubt, er wüsste über sie Bescheid. Dass sie blutgierige Bestien sind, Menschen verfolgen und töten oder gar in Werwölfe verwandeln, ganze Herden im Blutrausch niedermachen oder Wildtiere ausrotten und was weiß ich noch alles. Welche Ignoranz! Neulich kam sogar einer mit einem Hubschrauber hier an und fragte, ob ich Wölfe gesehen hätte. Er würde
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