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Mit dem Wolf in uns leben. Das Beste aus zehn Jahren Wolf Magazin (German Edition)

Mit dem Wolf in uns leben. Das Beste aus zehn Jahren Wolf Magazin (German Edition)

Titel: Mit dem Wolf in uns leben. Das Beste aus zehn Jahren Wolf Magazin (German Edition)
Autoren: Elli H. Radinger
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bösem Appetit, von grausamer, verschlingender Lust. Äsop präsentierte den Wolf in seinen Fabeln zur Unterhaltung von Kindern als grundsätzlich unintelligent, gierig, leichtgläubig, frech und moralisch korrupt. Im Lateinischen bedeutet die Bezeichnung „lupa“ Wölfin und bezog sich auf Prostituierte, die hinter ihrer Beute her waren. „Lupo“ beschrieb männliche Wüstlinge. Es bezog sich auch auf ungerechte Edelmänner, die die Armen schröpften. Vermutlich wird die Bürde menschlicher Unmoral, die der Wolf trägt, am besten zusammengefasst in der Beschreibung von Barry Lopez:
    „Als man den Wolf auf den mittelalterlichen Schlachtfeldern Aas fressen sah, wurde er beschimpft, weil man davon ausging, dass er ausreichend intelligent war, um zu wissen, dass das, was er tat, falsch war, es aber dennoch tat.“ Der Inbegriff des Sünders.
    Shakespeare stellte die verschiedenen Wünsche des Menschen dar als „wölfisch, blutig, verhungert und gefräßig“. Er beschrieb den Wolf als ein Symbol der Wildnis, die wir Menschen unterdrücken sollten: „Da alles in Ordnung ist, lasst es so sein. Weckt nicht einen schlafenden Wolf.“
    Was ist dran an dem Wolf, das ihn zu so einem fruchtbaren Boden macht für unsere beunruhigenden Charakterzüge? Sicherlich ist es von Bedeutung, dass er in unserer gemäßigten Umwelt der einzige große, soziale Beutegreifer ist. Somit ähnelt er uns auf viele Art und Weise: mit seinen scharfen Sinnen und seinen klaren, intelligenten Augen, voller natürlicher Weisheit und Neugier; seine Fähigkeit, schnell zu lernen und sich gut zu erinnern; sein komplexes, ausdrucksvolles Repertoire, das es ihm ermöglicht, in zusammenhängenden Gruppen zu leben und verschiedene soziale Aktivitäten zu koordinieren. Wölfe leben in einem großen Revier und ernähren sich von einer Vielzahl von Tieren, aber (wie auch wir) können sie sich darauf spezialisieren, Tiere zu töten, die größer sind als sie selbst. Große Beute ist potenziell gefährlich, und darum müssen Wölfe extrem vorsichtig sein, wenn sie angreifen und ihre Bewegungen mit denen der anderen Rudelmitglieder koordinieren.
    Jäger kannten sicherlich dieselbe Vorgehensweise, Gesellschaftsgruppen, die Jagd betrieben und die voll in die Natur eingegliedert waren, fühlten eine starke Identifikation mit den Tieren als verwandte Seelen – sogar mit denen, die sie töteten. Komplizierte Zeremonien rationalisierten ihre Tötungen. Diese Menschen respektierten Wölfe, auch wenn sie ihre direkten Nahrungskonkurrenten waren.
    Als sich dann die Menschen in festen Gemeinschaften niederließen und sich hauptsächlich von Korn und Haustieren ernährten, veränderte sich ihre Einstellung zur Wildnis. Was sie früher im Wolf und in sich selber bewunderten, schien nun falsch. Schließlich verhärteten griechische und christliche Einflüsse diese Gefühle in ein Dogma der Trennung von Mensch und Natur und auch in ein Dogma der Überlegenheit des Menschen über die Natur. Ebenso wie die Kräfte der Natur von uns für die Zivilisation gezähmt und kontrolliert werden mussten, so mussten auch unsere wilde innere Natur, unsere Leidenschaft und unser Appetit unterdrückt werden. Wir haben uns progressiv von uns selbst und unseren körperlichen Bedürfnissen distanziert, um zu leugnen, dass wir ein Teil der Welt sind, in der Leben bedeutet, anderes Leben zu töten.
    Ohne Zweifel ist die Kalkulation, mit der der Wolf die Schwäche seiner Beute abschätzt und das Verfolgen durch das Rudel das Produkt einer gewissen Intelligenz. Wie verlockend, den Wolf zu beschuldigen, das Blutbad des Tötens zu genießen, macht es doch uns selbst zu sauberen und zivilisierten Geschöpfen, wenn wir tun, was wir tun müssen.
    Wölfe teilen offensichtlich nicht unsere Moralauffassungen. Wenn wir ihnen schlechte Absichten zuschreiben, dann sind dies immer unsere eigenen Absichten in Verkleidung. Was uns am Wolf stört, sind all die Dinge, die uns an unserer eigenen „Raubtiernatur“ stören. Manchmal ist dies transparent. Eine Abhandlung, die 1989 von einer Gruppe geschrieben wurde, die die Wiederansiedelung von Wölfen als eine ethische Umweltkatastrophe sieht, stellt „zwölf historische Fakten über Wölfe“ auf und behauptet unter anderem, dass Wölfe grausam seien, nur um des Tötens willen töteten und der Feind aller anderen Tiere seien. Ohne Zweifel treffen solche Behauptungen mit Sicherheit auf den Menschen zu.
    Unakzeptable Wünsche auf andere zu übertragen, sie
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