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Mit dem Wolf in uns leben. Das Beste aus zehn Jahren Wolf Magazin (German Edition)

Mit dem Wolf in uns leben. Das Beste aus zehn Jahren Wolf Magazin (German Edition)

Titel: Mit dem Wolf in uns leben. Das Beste aus zehn Jahren Wolf Magazin (German Edition)
Autoren: Elli H. Radinger
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Rückkehr von Wölfen ist nicht, ob die Interessen von Viehzüchtern, Jägern und Umweltschützern in Einklang gebracht werden können, sondern ob die Beziehung der Menschheit zur wilden Natur weiterhin eine der versuchten Kontrolle sein wird oder eine der Akzeptanz.
(Elli H. Radinger; Wolf Magazin 2/1994)
     

Frau und Wolf
    Auf der Suche nach einer uralten Beziehung
    Vor zwanzig Jahren im Bayerischen Wald: Neun meiner Wölfe sind aus ihrem Gehege ausgebrochen. Der Landrat fordert Hilfe von der Grenzpolizei. Doch die Wölfe sind scheu und die meisten bald über alle Berge. Es ist Februar, sibirisch kalt, und entsprechend groß ist daher auch das Interesse der Presse.
    Zuerst berichtet man wohlwollend: „Lasst die Wölfe leben!“ Doch dann taucht eine junge Wölfin, die einzige unter den Ausbrechern, die nicht in den Wäldern verschwand, in der Nähe von Kindern im Dorf auf. Sie will offensichtlich spielen und kneift dabei einen Jungen in den Po. Sofort schlägt der Tenor um. Jetzt ist von „Bestien“ und „Ungeheuern“ die Rede.
    Zum Teil ist die Aufregung natürlich verständlich. Wer will schon einen Wolf auf dem Spielplatz seiner Kinder haben? Auf jeden Fall sind es jetzt Männer, die die Wölfe jagen, Jäger, die auf die Wölfe Tag und Nacht ansitzen, Piloten, die in Hubschraubern das Gebiet überfliegen, Grenzpolizisten, die in Formation die Wälder durchkämmen. Ein Jäger erlegt den zahmen Wolf, die Polizisten zwei Hunde und ein Reh. Der Landrat fordert Verstärkung von der Bundeswehr auf bayerischer und von Warschauer-Pakt-Truppen auf der böhmischen Seite. Die Stimmung ist aggressiv aktionistisch.
    Nur einige Frauen scheinen noch Umsicht und Verstand zu behalten: „Nicht der Wolf ist dem Menschen gefährlich, sondern der Mensch dem Wolf“, schreibt eine. Und dass die Angst vor wilden Wölfen unbegründet und damit auch überwindbar sei. Manchmal klingt aber auch Verwunschenes an. Viele rufen an. Eine Frau südlich von München: Ein Wolf soll vor ihrem Schlafzimmerfenster heulen. Auf meine Frage, warum sie wisse, dass es ein Wolf sei, antwortet sie: „Weil es sich so schön schaurig anhört.“
    Zehn Jahre später: In Schweden sind Wölfe gesichtet worden, die ersten seit Langem. Die Nation jubelt. Nur die lokale Bevölkerung wehrt sich gegen die unerwünschten Einwanderer aus dem weit entfernten Russland. Wieder sind es die Männer, die mit Gewehren bereitstehen, um ihre Elche, ihre Schafe und auch ihre Kinder und Frauen zu schützen. Diese haben in der Tat ein wenig Angst, vor allem die Mädchen und die Frauen. Die Männer selber aber haben keine, nur um ihre Kinder und um ihre Frauen.
    Wieder zehn Jahre später – heute: Auch in Deutschland werden Wölfe gesichtet. Auf einer Fahrt erkunde ich die Stimmung im Lande. Es ist wie gehabt: Begeisterung in den Städten, Angst und Ablehnung in den betroffenen Gebieten. Besonders bei den Männern: „Weg damit“, „erschießen“, „kein Platz bei uns“ heißt es allgemein. Bei vielen Frauen hingegen, insbesondere bei den jüngeren, schwingen andere, tiefere Töne mit. Ihnen geht es auch um den Schutz des Schwächeren, um Natur, um ein wenig Unberechenbares in unserem Leben, um das letzte noch Wilde in unserer Zeit.
    Die größte Begeisterung drückt Julia, Doktorandin der Biologie, mitten in München aus. Ein wunderschönes Tier sei der Wolf, edel, sozial und so scheu. Ihn zu schützen solle Inhalt ihres Lebens werden. Rotkäppchen auf den Kopf gestellt und sehr modern.
    Drei Beispiele für einen geschlechtsspezifischen Unterschied in der Bewertung einer allgemein verteufelten Tierart. Was beim Mann Hass und Verfolgung auslöst, löst bei der Frau zwar auch Angst aus, fasziniert aber zugleich. Was mittels Gewehr, Falle und Gift nach Meinung des Mannes ausgerottet gehört, weckt Schutzinstinkte, Mitleid und allen voran tiefe Sehnsüchte nach verborgener Wildheit bei der Frau. Über „die Kraft der weiblichen Urinstinkte“ schreibt Clarissa Estes ein ansonsten nicht gerade stimmiges Buch. Trotzdem wird es ein Bestseller. Der Titel: „Die Wolfsfrau.“
    Was ist es, das bei uns das eine Geschlecht zum Wolfsjäger werden lässt, das andere aber zu Rotkäppchen, Wolfsfrau oder Schwester Wolf? Was fasziniert sie so abseits der ihnen gebotenen Wege an ihm – dem Wilden, dem Unberechenbaren? Warum gibt sie sich gerade ihm, trotz all ihrer Angst, so leidenschaftlich hin? Zumindest in den Märchen – und in ihren Träumen. Was haben Frau und Wolf, Hexe
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