Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Miss Wyoming

Miss Wyoming

Titel: Miss Wyoming
Autoren: Douglas Coupland
Vom Netzwerk:
dem Tisch Vögel gefüttert haben. Das ist nett.« 
    »Das haben Sie doch auch getan.«
    »Ich mag Vögel.« Johns Zähne waren groß und weiß wie Babymais-Perlen. Seine Augen hatten die blassblaue Farbe sonnengebleichter Parkscheine, seine Haut sah aus wie braunes Leder.
    »Weshalb?«, fragte Susan.
    »Sie kümmern sich um ihren eigenen Kram. Kein Vogel hat je versucht, mir ein Drehbuch zu klauen oder mich hinter meinem Rücken schlecht zu machen. Und sie lassen dich auch dann nicht im Stich, wenn deine Filme floppen.« 
    »Oh, das Gefühl kenne ich.«
    »Susan!«, warf Adam ein. »Deine Projekte laufen doch gut.« 
    »Meine Filme sind Dreck, Adam.«
    Am anderen Ende des Terrazzobodens machte Jerr-Bear ah-uuuu-gah, ah-uuuu-gah wie ein absaufendes U-Boot, um Johns Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, aber John und Susan, allein unter all den Menschen, die hier genervt auf ihr Mittagessen warteten, bemerkten ihn nicht. Unterdessen suchte Adam nach einem Ausweg aus dieser Situation, die für ihn ein peinliches Aufeinanderprallen von diversen Fauxpas, zweideutigen Signalen und schlecht gezielten Bananencremetorten darstellte, und fragte: »Möchten Sie und Ihr ... ahm ... Kollege mit uns essen, Mr. Johnson?« Plötzlich dämmerte John, dass er sich unter Menschen befand, in einem Restaurant, in dem jeder nichts anderes im Sinn hatte als zu essen und zu tratschen - dabei wünschte er sich in Wirklichkeit ganz woanders hin. Er stammelte: »Ich ...« 
    »Ja?«, Susan schaute ihn freundlich an.
    »Ich muss dringend hier raus. Sie haben nicht zufälligerweise Lust, einen ... ich weiß nicht ... Spaziergang mit mir zu machen, oder?«
    Susan stand auf und fing dabei Adams fassungslosen Blick auf. »Ich ruf dich nachher an, Adam.«
    Die Kellner hasteten hin und her, und einen kurzen Moment später, der ihnen vorkam wie ein schlecht geschnittener Filmschnipsel, waren John und Susan draußen auf dem North Robertson Boulevard, zwischen schlafenden Saabs und Audis, in grellem Sonnenlicht, das etwas in ihren Augäpfeln zum Sprudeln brachte, als wären sie mit Ginger Ale gefüllt. »Können Sie in den Schuhen laufen?«, fragte John. »In diesen Latschen hier? Darin könnte ich auf Berge klettern.« Sie lächelte. »Das hat mich noch kein Mann gefragt.«
    »Sie sehen irgendwie italienisch aus.«
    »Ich hab sie 1988 in Rom gekauft, und seither haben sie mich nicht einmal im Stich gelassen.« 
    »In Rom? Was haben Sie denn da gemacht?« 
    »Ich hab da eine Reihe von Fernsehwerbespots für Spaghetti-Soße im Glas gedreht. Vielleicht haben Sie sie mal irgendwo gesehen. Sie sind jahrelang gelaufen. Die haben ein Heidengeld ausgegeben, um uns alle dort rüberzuschaffen, und dann haben sie doch bloß in einem mit billigem italienischen Firlefanz ausgestatteten Studio gedreht. Am Ende sahen die Spots so aus, als seien sie in New Jersey entstanden.« 
    »Tja, typisches Beispiel dafür, wie man beim Film mit Geld umgeht.«
    »Das war nicht meine erste Lektion, aber es war eine der merkwürdigsten. Sie haben nie Werbung gemacht, oder?« 
    »Ich bin gleich zum Film gegangen.«
    »Werbespots sind etwas Perverses. Man kann jahrelang in einer halbwegs erfolgreichen Fernsehserie mitspielen, ohne dass einen jemand darauf anspricht, aber sobald man nachts um drei in irgendeiner beschissenen Soßenwerbung auftaucht, klingeln einen die Leute aus dem Schlaf, um ›Ich hab dich grad im Fernsehen gesehen! ‹ ins Telefon zu brüllen.« Ein Briefträger kam ihnen entgegen, und kaum dass er an John und Susan vorbei war, ahmten sie gemeinsam seinen übertrieben schwungvollen Gang nach. Dann schnitten sie sich gegenseitig Fratzen.
    »Das muss man ihm lassen«, sagte Susan, als der Briefträger außer Hörweite war, »für sein Alter hat er noch ganz schön was drauf.«
    »Für wie alt halten Sie mich?«, fragte John.
    Susan musterte ihn. »Vierzig, schätze ich. Warum fragen Sie?«
    »Ich seh aus wie vierzig?«
    »Aber das ist doch gut. Wenn Sie jünger sind, bedeutet das, dass Sie bereits weiser sind, als es Ihren, sagen wir, fünfunddreißig Jahren angemessen ist. Männern steht das.«
    »Ich bin siebenunddreißig.«
    »Sie haben mir noch nicht gesagt, warum Sie gefragt haben.« 
    »Weil ich mir Gedanken darüber mache, wie alt ich eigentlich bin«, erwiderte John, »und ich sage mir: He, John Johnson, du hast so ziemlich jedes Gefühl empfunden, das du vermutlich je empfinden wirst, und von jetzt an wird alles nur noch Wiederholung sein. Und das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher