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Miss Wyoming

Miss Wyoming

Titel: Miss Wyoming
Autoren: Douglas Coupland
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»John-O, ich sag dir was - ich pack jetzt einfach alle in den Mietwagen und bring sie zurück nach Los Angeles.«
    Susans Augen waren so offen und weit wie der kobaltfarbene Himmel über ihnen. »Okay«, sagte John.
    Susan setzte sich ans Steuer des Minivan, und John stieg ein und nahm Eugene Junior auf den Schoß. Susan ließ den Van an und fuhr los.
    John drehte sich um und blickte auf die entgeisterten Menschen zurück. Ivan war bereits dabei, für ihre nächsten sechs Stunden eine Zusammenfassung des Geschehens vorzubereiten.
    Susan war eine sichere Autofahrerin, der ihre Erschöpfung nicht anzumerken war. Die drei rasten über den dunklen, ebenen Kontinent. Keiner in dem Minivan wusste, wo es hingehen sollte, nur dass sie den Ort hinter sich ließen, an dem sie vorher gewesen waren.
    Eugene Junior schlief auf Johns Schoß ein. John drehte den Kopf und schaute aus dem Fenster. Draußen zog ein Stacheldrahtzaun vorbei, ein Straßenschild mit der Aufschrift OMAHA 480, und John sah auch etwas, das er für die Augen eines Tieres hielt.
    Er betrachtete Susans Spiegelbild in dem schwarzen Fensterglas. Ihm fiel wieder ein, wie er einmal bei Dreharbeiten einen Kameramann angebrüllt hatte, überzeugt, dass dieser farbenblind sei. In einer Pause war John in die Requisite gegangen und hatte ein Stück glänzendes schwarzes Plastik geholt. Er gab es dem Kameramann, und dieser fragte ihn: »Wozu ist das?«, und John sagte: »Das ist ein Trick, den die Impressionisten damals angewandt haben. Wann immer sie sich nicht sicher waren, welche Farbe ein Gegenstand wirklich hatte, betrachteten sie sein Spiegelbild in einem schwarzen Stück Glas. Sie glaubten, die einzige Möglichkeit, den wahren Charakter von etwas zu sehen, sei, es in etwas Dunklem zu spiegeln.«
    Hinter ihnen flammten Polizeischeinwerfer auf, aber die Polizisten waren hinter einem anderen Wagen her, nicht ihrem. Susan schaute zu John hinüber und zog verschwörerisch die Augenbrauen hoch. John betrachtete die bleiche schwarze Straße, und er erinnerte sich an einen bestimmten Moment während seiner Zeit in der Wildnis. Er wünschte, er hätte Doris davon erzählt - ein Moment in Needles, Kalifornien, vor vielen, vielen Monaten, als er am späten Nachmittag in Richtung Westen wanderte. Es hatte in der Wüste über einem kleinen, scharf begrenzten Areal heftig geregnet, und von dem Areal daneben blies ein Sandsturm herein. Das Sonnenlicht brach sich auf eine Weise in dem Staub und der Feuchtigkeit, die John nie zuvor gesehen hatte, und obwohl er wusste, dass es in Wirklichkeit anders herum war, schien es ihm, als schicke die Sonne schwarze Sonnenstrahlen auf die Erde herunter, auf die Interstate 40 und den endlosen silbernen Fluss von Pionieren, der von einem Teil des Kontinents zum anderen strömte. John hatte das Gefühl, als sei er und jeder andere in der Neuen Welt Bestandteil von etwas, das Fluch und Segen Gottes zugleich war, als seien sie eine Rasse von Fremden, die sich ständig in neue Feuer stürzten, in dem Verlangen zu brennen, dem Verlangen, sich wieder aus den Kohlen zu erheben, jedes Mal neuer und wunderbarer, immer durstig, immer hungrig, immer überzeugt, dass das, was auch immer ihnen als Nächstes begegnete, gnädig die Kreaturen auslöschen würde, die sie auf ihrer mühevollen Reise auf dem strahlenden Weg aus Plastik bereits geworden waren.
     
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