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Miss Seeton kanns nicht lassen

Miss Seeton kanns nicht lassen

Titel: Miss Seeton kanns nicht lassen
Autoren: Heron Carvic
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Tüpfelchen auf dem i fehlte. Aber das reichte hier nicht aus: Der A. C. war entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen.
    »Es ist leider noch recht unklar, Sir«, begann er.
    »Das sind Gefühle immer«, stimmte Sir Hubert zu. »Meinen Sie, so unklar wie bei Gerard Croiset?«
    Delphick zog entgeistert die Luft ein. Verdammt noch mal. Als er merkte, daß er nach Luft rang wie ein gestrandeter Fisch, fing er an zu lachen.
    »Finden Sie den Vergleich so komisch?«
    »Nein, Sir, durchaus nicht. Ich war nur überrascht, weil Sie mir einen Schritt voraus waren und ich noch nach einer Erklärung suchte.«
    Gosslin räusperte sich. »Ich verstehe nur immer Bahnhof, Sir. Wer ist dieser Gerard Soundso? Ich habe nie von ihm gehört.«
    »Ist auch gar nicht nötig«, erwiderte Sir Hubert. »Er ist ein holländischer Hellseher oder eine Art von Medium, der öfters in schwierigen Fällen von der kontinentalen Polizei zugezogen wird.« Gosslin knurrte ablehnend. »So was ist hier natürlich nicht üblich, jedenfalls nicht offiziell. Wir halten nichts davon oder behaupten es jedenfalls.« Er wandte sich wieder an Delphick. »Ich nehme an, Sie sind darauf gekommen durch die Zeichnungen, die sie letztes Jahr machte in einem Fall, in den sie zufällig hineingezogen wurde, stimmt’s?«
    »Ja, das stimmt. Nur unterscheidet sich Miss Seeton insofern von Croiset, als es bei ihr mehr oder weniger unbewußt vor sich geht. Sie wäre sicher entrüstet, wenn man ihr irgendwelche übersinnlichen Kräfte unterstellte. Das würde sie geradezu für unfein halten. Sie würde höchstens zugeben, daß das Zeichnen ihr zum Verständnis der Verständnis der gezeichneten Menschen verhilft.«
    »Ja, das ist wahr.« Sir Hubert nickte. »Wenn ich mich recht entsinne, war das auch alles, was damals aus den Berichten hervorging: Ihre Skizzen zeigten echtes Verständnis für den Menschen. Wahrscheinlich war es eher die Übertragung des Eindrucks von einer Persönlichkeit auf ihr eigenes zeichnerisches Medium und nicht so sehr die Manifestation einer latenten übersinnlichen Gabe. Nein, nein – «, wehrte er Delphicks Unterbrechung ab – , »das ist nicht als Kritik gemeint, nur als Kommentar zunächst. Wenn also Chief Superintendent Gosslin nichts dagegen hat…?« Er blickte Delphicks Vorgesetzten fragend an.
    Gosslin zog die breiten Schultern hoch und beugte sich ein wenig vor. »Also offen gesagt: Mir ist das ein bißchen zu hoch. Wenn ein Beamter sich bewährt hat, meine ich, dann sollte man ihm – außer wenn triftige Gründe dagegen sprechen – einigermaßen freie Hand lassen. Aber Phantasie und Gefühle sind nicht meine starke Seite. Bei Schlußfolgerungen aus Beweismaterial, da weiß ich, woran ich bin und stehe meinen Mann so gut wie jeder andere. Aber Zeichnungen nach überhaupt keinen Anhaltspunkten: also das ist nicht mein Bier. Und genau das ist hier die Schwierigkeit: Wir haben keine Anhaltspunkte. Bei diesen Kindermorden haben wir keinerlei Spur. Wir wissen jetzt, daß der Mann verrückt sein muß, aber darüber hinaus sind wir heute keinen Schrittweiter als beim ersten Fall. Ich bin jetzt so weit, daß ich jeden Vorschlag überlegenswert finde, auch wenn er noch so abwegig aussieht.«
    »Sogar diesen gräßlichen Vorschlag von Delphick«, meinte Sir Hubert, »eine harmlose ältere Dame ins Leichenschauhaus zu schleppen, wo sie eine Kinderleiche ansehen soll, und dann eine Zeichnung von ihr zu verlangen – offenbar in der Hoffnung, damit die Lösung auf einem Tablett serviert zu bekommen.«
    Verdammt, dachte Delphick, damit hatte der A. C. es ihm gründlich gegeben. Als er damals nach dem zweiten Mord erkannte, daß es sich hier nur um einen Verrückten handeln konnte, hatte er beschlossen, sich genauer über Verrückte und ihre Behandlungsmethoden zu informieren. Er hatte erst einen Psychiater aufsuchen wollen, war aber doch lieber in die kleine Privatklinik in der Nähe von Plummergen zu Dr. Knight gefahren, den er im letzten Sommer während Miss Seetons Eskapaden kennen- und schätzengelernt hatte. Dr. Knight war, bevor er sich aus Gesundheitsgründen aufs Land zurückzog, einer der führenden Neurologen Londons gewesen. Er hatte sich Delphicks Problem angehört und ihm aufschlußreiche Erläuterungen gegeben; aber als Delphick dann nach London zurückfuhr, den Kopf voll von psycho-motorischer Epilepsie – die offenbar das war, was er immer für Schizophrenie gehalten hatte – und Schizophrenie, die ganz was anderes war, da war
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