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Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser

Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser

Titel: Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser
Autoren: Carola Dunn
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Ambrose College noch das ihrer Gegner vom Marlow
    Rowing Club war zu sehen.
    Als sie an der stromaufwärts gelegenen Inselspitze ankamen, schaute Daisy zurück zum sogenannten Temple, der bislang hinter Bäumen verborgen gewesen war. Das kleine Ge-bäude war ein geschlossenes Sommerhäuschen mit offener, von Säulen umgebener Kuppel, davor ein breiter Landesteg, an der Nordseite durch eine Trauerweide geschützt – ein wunderbarer Ort für ein Picknick. Selbstverständlich war das Land Privatbesitz und wahrscheinlich, so nahm Daisy an, ein Teil von Crowswood Place, wo Lord DeLancey übernachtete, drüben an dem Ufer, das zu Buckinghamshire gehörte.
    Oder begann hier schon Oxfordshire? Die Adresse der
    Cheringhams war Buckinghamshire, aber Henley-on-Thames gehörte zu Oxford.
    Die Stadt war jetzt hinter der Haupttribüne von Phyllis Court zu sehen. Warmgelbe Ziegelsteine und braun gedeckte Dächer erstreckten sich entlang des Flusses, dominiert vom rechteckigen grauen Turm von St. Mary’s. Die Brücke aus dem achtzehnten Jahrhundert wurde von der Biege im Fluß am Poplar Point verdeckt. Dort, am Berkshire-Ufer, wo man einen Blick auf die Zielgerade hatte, erhoben sich Tribünen und Schirmdächer über den Flußauen wie riesige Pilze.
    Noch gut ein Dreiviertelkilometer. Daisy schaute auf die Uhr. Es blieb noch viel Zeit, bis der erste Durchlauf startete.
    Hinter dem Remenham Club kamen sie zum Rummelplatz.
    Die Dampfpfeifenorgel schwieg jetzt. Die Pferde des Karussells standen still, die Buden waren zugedeckt. Das Riesenrad, 44
    eine stählerne Spinnwebe, deren bunte Gondeln wie exotische Insekten in ihr gefangen hingen, beherrschte den Platz. Ein paar Männer mit verschlafenen Augen, an deren Lippen Zigaretten klebten, reparierten gelangweilt dieses und jenes.
    »Das sieht doch wirklich schrecklich billig aus, wenn die Menschenmenge fehlt, findet ihr nicht?« sagte Tish nervös.
    »Für die Atmosphäre braucht es wirklich Leute und Ge-
    schwätz und Musik.«
    Ein Kuckuck rief ihnen aus dem Wald vom Remenham Hill einen Gruß zu. Sie lachten alle drei.
    Als sie den General Enclosure genannten allgemeinen Pu-blikumsbereich erreichten, präsentierten Dottie und Tish die Gästekarten, die ihnen die Ambrose-College-Mannschaft gegeben hatte. Daisy zeigte ihren Presseausweis vor und wurde mit den beiden eingelassen.
    »Ächz!« rief sie erleichtert aus. »Ich hab noch nie so eine Eintrittskarte gehabt. Die funktioniert ja wirklich!«
    »Sesam, öffne dich«, sagte Tish. »Wie wär’s, wenn wir uns in die Ränge stellten? Hast du Cherrys Fernglas mitgebracht, Dottie?«
    Dottie öffnete die kleine Tasche, die sie sich über die Schulter gehängt hatte, suchte darin herum und holte das Fernglas hervor. »Hier. Verlier bloß nicht den Schutz fürs Objektiv, sonst bringt er dich um – oder auch mich.«
    Sie stiegen hinauf in die Ränge.
    Ausschließlich passionierte Rudersport-Enthusiasten hatten sich so früh am Morgen eingefunden. Meist waren das Herren im Alter zwischen achtzehn und achtzig, die meisten trugen Käppis und Blazer. Die leuchtenden – um nicht zu sagen schrillen – lachsrosa Farben des Leander-Clubs über-wogen. Dessen Gelände lag etwas weiter das Ufer hinunter, an der Brücke hinter der privaten Stewards’ Enclosure. Daisy lauschte einer leicht mürrischen Unterhaltung und erfuhr, daß der Achter des Leander-Clubs im ersten Durchlauf des großen Rennens abgehängt worden war. Noch konnte der
    Club auf einen Zweier im Rennen um die Silver Goblets 45
    hoffen, und auch ein Einzel-Skull hatte Chancen auf den Dia-mond.
    Aus der Ferne war ein Startschuß zu hören. Augenblicklich wurden Ferngläser an die Augen gehoben, und ein leuchtend gekleidetes Grüppchen, eben noch auf ebener Erde, eilte auf die Tribüne hinauf.
    »Also hat Bott sich doch zusammengerissen!« seufzte Dottie erleichtert auf und offenbarte damit ihre bislang unter Verschluß gehaltene Anspannung.
    »Verdammt gute Sicht!« bemerkte vor ihnen ein Mann vom Leander-Club zu seinem Begleiter. »Bei dieser neuen Strecke war ich mir gar nicht so sicher, aber die Startlinie südlich von Temple Island ist zweifellos eine Verbesserung.«
    Tish hatte ihr Fernglas stromabwärts gerichtet. »Viel kann ich nicht erkennen«, sagte sie, »nur Punkte. Man sieht überhaupt nicht, wer vor wem liegt.«
    »Laß mich mal.« Dottie faßte sie am Arm. »Wir sind doch auf der Berkshire-Seite. Bei dieser hellen Sonne reflektiert das Wasser ganz enorm. Himmel, die
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