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Miss Daisy Und Der Tote Auf Dem Wasser

Miss Daisy Und Der Tote Auf Dem Wasser

Titel: Miss Daisy Und Der Tote Auf Dem Wasser
Autoren: Carola Dunn
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Gegenteil, ich finde das groß- artig. Endlich lerne ich sie einmal etwas besser kennen. Patsy ist ja jetzt richtiggehend erwachsen, da wird uns der Alters- unterschied von fünf Jahren nicht mehr so riesig vorkom- men.«
»Tish, Liebes. Patricia besteht dieser Tage darauf, Tish ge- nannt zu werden. Der Himmel allein weiß, woher sie das hat. Vermutlich muß ich noch dankbar sein, daß sie und ihre Freundin Dottie sich nicht mit Nachnamen rufen.« Lady Cheringham winkte den beiden Mädchen am Fluß zu. »An- geblich ist das jetzt auf den Damen-Colleges Usus, die Män- ner nachzuäffen. So was Undamenhaftes! Manchmal frage ich mich, ob es wirklich so klug war, Patricia von Ruperts Bruder erziehen zu lassen, als wir im Ausland waren.« Sie seufzte.
»Andererseits hat die Erziehung durch zwei Dons von Ox- ford Pat… – Tish sicherlich schon früh an das Studentenleben gewöhnt.« Daisy hoffte sehr, daß sie nicht eifersüchtig klang. Weder ihre Familie noch ihre Ausbildung hatten ihr ein Stu- dium ermöglicht. Die Idee wäre ihr auch nie gekommen, hätte sie nicht den Zeitungen entnommen, daß Oxford University schon vor drei Jahren, also 1920, Frauen zum Studienabschluß zugelassen hatte. Mittlerweile war sie fünfundzwanzig und verdiente seit Jahren ihren Lebensunterhalt selbst. Für sie war das zu spät gekommen.
Fröhlich sagte ihre Tante: »Ach, Patricia muß wie wild büf- feln. Mehr Grips als ich bringt sie auch nicht mit. Und das ist auch gut so – ich glaube, sie hat sich seit neuestem Rollo Frieth an Land gezogen. Ein sehr charmanter junger Mann, aber wirklich keine große Leuchte. Obwohl er studiert; er ist im letzten Jahr am Ambrose College.«
»Das ist doch auch die Bootsmannschaft, die während der Regatta hier bei euch übernachtet, nicht wahr?«
»Ja, Ruperts Neffe rudert für Ambrose. Der arme Junge wurde Erasmus getauft, aber alle nennen ihn Cherry.«
»Ich glaube, den habe ich vor Ewigkeiten mal kennen- gelernt. Möglicherweise bin ich ihm sogar mehrmals über den Weg gelaufen. Aber das ist Jahre her.«
»Sehr wahrscheinlich. Er ist ja praktisch ein Bruder für Pa- tricia. Du wirst ihn gleich beim Tee treffen und seine Mann- schaftskameraden auch.«
»Sind sie nicht schon auf dem Weg hierher?« Beide wandten sie sich um und schauten zum Fluß. Das Boot war nur noch wenige hundert Meter entfernt. Gelassen glitt es strom- abwärts auf sie zu, und die Ruderer in ihren weißen Hemden und weinroten Käppis warfen sich in die Riemen. Ihre Stim- men schallten über das Wasser, doch konnte Daisy nicht ge- nau erfassen, was gesagt wurde.
»Ich muß mich wirklich beeilen, damit ich noch mit diesen Blumen zu Rande komme«, sagte Lady Cheringham. »Geh doch mal und begrüß Patricia. Sie ist eigens wegen deiner An- kunft zu Hause geblieben. Das Mädchen neben ihr ist Dottie Carrick.«
Daisy ging zum Landesteg hinunter. Als Patricia – Tish – und ihre Freundin hinter sich Schritte auf dem Kies hörten, wandten sie sich um.
Tish war ein hübsches blondes Mädchen von zwanzig Jah- ren, gerade hatte sie Geburtstag gefeiert. In dem blaßblauen Pikee-Kleid mit dunkelblauer Schärpe an der tief angesetzten Taille kam ihre schlanke Figur bestens zur Geltung und ent- sprach exakt der Mode dieser Tage: flachbrüstig, ohne eine Spur von Hüften, bemerkte Daisy voller Neid.
Sie kannte ihre Cousine nicht besonders gut. Sir Rupert Cheringham war im Colonial Service beschäftigt gewesen. Sein einziges Kind hatte er von seinem Bruder und seiner Schwägerin erziehen lassen, die beide Dozenten an der Ox- ford University waren. Zwischen den beiden Dons und Dai- sys aristokratischer Familie hatte es selten Kontakt gegeben, und wenn, dann nur kurz, obwohl Lady Cheringham die Schwester von Daisys Mutter war.
Für Daisy war Oxford eine Bahnstation auf dem Weg zwi- schen London und ihrem Elternhaus in Gloucestershire, das jetzt ihrem Vetter Edgar gehörte. Daisys Bruder Gervaise hätte vielleicht in Oxford studiert, wäre der Große Krieg nicht gekommen. Sein Tod hatte die Verbindung dorthin be- endet. Und seit ihr Verlobter gestorben war, hatte Daisy kein Interesse mehr an Männern, die sie sonst zu den berühmten Bällen im Mai hätten einladen können. Nach dem Großen Krieg waren die aus der Armee entlassenen Offiziere ja scha- renweise auf die Universitäten gezogen.
Aber Gervaise und Michael waren schon seit fünf Jahren nicht mehr auf der Welt. Der neue Mann in Daisys Leben hatte seinen Abschluß an der plebejischen
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