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Mischpoche

Titel: Mischpoche
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Mandl, macht die Feinarbeit dabei.«
    Bronstein gab zu, dass diese Variante Sinn machte, denn Fritz Mandl, der Chef der Hirtenberger Fabrik, war ein bekannter Förderer der rechten Paramilitärs.
    »Aber damit ist auch klar, dass du da eilig weg musst. Wenn die dich in Hirtenberg entdecken, dann wissen die sofort, dass da etwas faul ist. Du musst nach Wien und irgendwie schauen, dass du das verhindern kannst.«
    »Ach ja! Und wie, bitteschön?«
    Bronsteins Antwort ließ offen, ob er nun danach fragte, wie er um drei Uhr früh nach Wien komme oder ob er wissen wolle, wie er eine derartige Waffenschieberei verhindern sollte. »Wir müssen die Alliierten warnen«, resümierte Nemeth, »du musst irgendwie zur französischen oder zur britischen Botschaft. Das ist unsere letzte Chance.«
    »Leichter gesagt als getan«, seufzte Bronstein und registrierte, dass er entsetzlich fror. Als ob er irgendwelche Kontakte zur hohen Diplomatie hätte! Sicher, dachte er mit einem Anflug von galliger Ironie, er ging da einfach auf den Schwarzenbergplatz und flötete dem Portier der französischen Botschaft vor, er habe eine wichtige Nachricht für Monsieur le Ambassadeur, und schon würden ihm, dem kleinen Kieberer, alle Pforten geöffnet. Noch dazu an einem Freitag, wenige Stunden vor einem Jahreswechsel! An einem 30. Dezember weilte ein Botschafter sicher zu Hause in seinem Heimatland, und selbst wenn er irgendjemanden bei den Franzosen erreichte, wer würde ihm diese abenteuerliche Geschichte glauben? Das war ja in der Tat alles an den Haaren herbeigezogen! Das würde ihm nicht einmal jemand, der ihn so gut kannte wie Cerny, abnehmen.
    Cerny!
    War der nicht vor etwa einem Jahr vor einer ähnlich kniffligen Situation gestanden? Damals, als der steirische Heimwehrführer partout hatte putschen wollen! Damals hatte sich Cerny einfach an die Roten gewandt, weil er gewusst hatte, die würden als Einzige reagieren. Und die Roten waren es doch auch, die über entsprechende Kontakte ins Ausland verfügten. Er brauchte gar nicht zu irgendeiner Botschaft zu pilgern, es genügte, wenn es ihm gelang, einen der Sozis zu alarmieren. Den Abgeordneten Forstner zum Beispiel, der gleich ihm Stammgast im Café ›Herrenhof‹ war. Der würde ihm auch sofort glauben, wenn er ihm von dieser hinterhältigen Aktion berichtete.
    »Anderl, ich glaub’, mir fällt da was ein«, sagte er mit neuem Optimismus in der Stimme. »Jetzt musst du mir nur noch sagen, wie ich von da nach Wien komme.«
    »Wir haben da eine Verschublok, mit der könnte es gehen. Irgendwie«, entgegnete Nemeth, »es müsst‹ halt sehr schnell sein, damit nicht auffällt, dass sie nicht da ist.«
    »Ich hab’ nix gegen schnell. Ist eh saukalt da.«
    Bronstein kletterte aus der einen in die andere Lok, die rasch Fahrt aufnahm. Zehn Minuten später fuhr sie bereits durch den ruhig daliegenden Bahnhof von Baden, wieder zehn Minuten später passierte sie Mödling und gleich darauf Liesing. Wenige Minuten nach halb vier erreichte das Gefährt den Bahnhof von Meidling.
    »Ich muss dich da rauslassen, Kollege«, sagte der Lokführer, »ich muss spätestens um vier wieder in Leobersdorf sein.«
    »Keine Sorge! Das geht schon. Von da kann ich mir ein Taxi nehmen.«
    Bronsteins Kuckucksuhr schlug viertel fünf, als er endlich wieder in sein eigenes Bett fallen konnte, um erst einmal sein Schlafdefizit aufzuholen. Vor elf Uhr würde Forstner ohnehin nicht im Kaffeehaus erscheinen.
    Schlag 12 betrat Bronstein, frisch ausgeruht und neu eingekleidet, das ›Herrenhof‹ und erspähte sofort das markante Haupt des wortgewaltigen Gewerkschaftsführers und Rhetors, der an seinem angestammten Platz in die Lektüre einer Zeitung vertieft war. Ohne Umschweife trat Bronstein an Forstner heran.
    »Herr Abgeordneter, ich bitte die Störung zu entschuldigen, aber ob Sie vielleicht kurz Zeit für mich hätten?«
    Der Mandatar ließ das Blatt sinken und lächelte Bronstein freundlich an. »Dafür bin ich ja da! Setzen Sie sich doch! Wo drückt der Schuh?«
    Bronstein wusste selbst nicht weshalb, aber plötzlich sprudelte die ganze Geschichte aus ihm heraus. Er berichtete von dem ersten Treffen mit Nemeth vor einer Woche, von seinem Abstecher nach Udine, der abenteuerlichen Lokfahrt nach Leobersdorf und von den vielen Waffen, die dort offenbar still und heimlich für die ungarische Armee justiert werden sollten. Forstner hörte mit immer erstaunterer Miene zu und gab danach zu, zum ersten Mal in seinem Leben
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