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Mirad 02 - Der König im König

Titel: Mirad 02 - Der König im König
Autoren: Ralf Isau
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an und erzählte eine seltsame Geschichte. Als er im Morgengrauen nach seinem Boot schauen wollte, das in einer vor Schnee und Eis geschützten Höhle außerhalb von Bjondal lag, hörte er ein sonderbares Geräusch. Er schlich näher und sah eine schattenhafte große Gestalt am Strand stehen, die sang.
    ›»Ja, kein Zweifel‹«, wiederholte Fingard die Worte des Fischers, ›»die reichlich unharmonischen Klänge waren ein fremdartiges Lied.‹«
    Das Käuzchen auf dem Teller ließ seine Korinthe fallen und sah den Boten mit großen Augen an.
    Fingard stand die Ratlosigkeit ins Gesicht geschrieben. Erst betrachtete er argwöhnisch den Vogel, dann wanderte sein Blick Hilfe suchend zu Múria.
    »Hat der Fischer außer der Gestalt und dem Gesang noch etwas anderes wahrgenommen?«, erkundigte diese sich.
    »Ja«, antwortete der Bote leise. »Das Eis begann zu ächzen und zu knacken, als wolle es jeden Moment aufbrechen, was es aber nicht tat.«
    Irgendetwas schien das Käuzchen erschreckt zu haben. Es stieg vom Tisch auf, drehte eine Runde durch den Ratssaal und landete auf der Schulter des Königs.
    »Sonst nichts?«, fragte Múria.
    »Nein«, antwortete Fingard. Aber der Wirt habe sich vom Fischer die Stelle genau beschreiben lassen und am nächsten Tag ging er vor Sonnenaufgang selbst hin und legte sich auf die Lauer. Tatsächlich erschien der ihm nur allzu bekannte Schemen zur gleichen Stunde wieder am Ufer des Schollenmeers. Nun hörte Grindel mit eigenen Ohren den misstönenden Gesang und das gequälte Ächzen und Knacken im Eis.
    Auch am nächsten Morgen schlich sich der Wirt wieder zu seinem Versteck am Strand und beobachtete Kaguan bei seinem merkwürdigen Treiben. Und plötzlich brach das Eis auseinander. Irgendetwas Großes, Dunkles kam aus dem Meer herauf. Grindel packte das Entsetzen. Er stahl sich davon und alarmierte die Stadtwache. Sein Gast wurde wenig später festgenommen, als er in die Schenke zurückkehrte. Er ließ sich ohne Widerspruch abführen.
    Der Ausdruck auf Fingards Gesicht verriet seine eigene Ratlosigkeit. »Als Grindel mir gestern Abend davon erzählte, war mir klar, dass Ihr sofort davon erfahren müsst, Herrin. Und so bin ich baldigst hierher aufgebrochen.«
    »Das ehrt dich, mein Guter«, lobte ihn Múria. »Bei der gegenwärtigen Kälte sind die fünfzig Meilen über den Belt ein mehr als nur unbequemer Ritt. Hast du uns alles berichtet, was du über den Fremden weißt?«
    Fingard nickte.
    »Dann solltest du dich jetzt unbedingt mit einem guten Mahl stärken und dich ausruhen. Ich denke, wir werden uns morgen noch einmal unterhalten.«
    Trotz seines begrenzten Verstandes ging dem Boten auf, dass nun der vertrauliche Teil des Abends begann, bei dem man auf seine Anwesenheit gerne verzichten würde. Fingard erhob sich, und nachdem er sich verneigt und allen eine gute Nacht gewünscht hatte, verließ er den Ratssaal.
    »Was haltet ihr davon?«, fragte Múria, sobald die Tür wieder geschlossen war.
    Schekira legte in einer flirrenden Wolke ihre Käuzchenverkleidung ab und erwiderte: »Dieser Kaguan hat ein Lied der Macht benutzt, um irgendetwas aus dem Meer hervorzulocken.«
    »Wir wissen nicht sicher, ob der Fremde tatsächlich so heißt, kleine Schwester, aber in dem anderen Punkt muss ich dir leider Recht geben.«
    »Jedenfalls sollten wir in Erfahrung bringen, wer er ist und was er mit seinem… Gesang bezweckte«, schlug Ergil vor.
    Múria nickte. »Und wir müssen unbedingt herausfinden, was er ist.«
    »Wie meinst du das, Inimai?«, fragte Falgon.
    »Der Klang des Namens – Kaguan – da schwingt etwas in mir, das ich schon lange vergessen zu haben glaubte.«
    »Du meinst, etwas, das du vergessen wolltest? Etwas, das dich an das Leid erinnert, das du im Grünen Gürtel erfahren und gesehen hast?«
    Ihre Hand umschlang diejenige des Waffenmeisters. »Manchmal habe ich den Eindruck, du kennst mich besser als ich, mein Lieber.«
    Der junge König entsann sich des Wandgemäldes in Múrias Seeigelwarte. Das Bild von der friedlichen Waldlichtung war von ihr gewiss erschaffen worden, um die sonnigen Zeiten, die sie unter dem Volk der Sirilim und mit ihrem Verlobten Jazzar-fajim erlebt hatte, im Gedächtnis zu behalten – und die düsteren Erinnerungen von der Vernichtung der Schönen durch den dunklen Gott Magos aus ihrem Sinn zu verbannen.
    Ergil wagte nicht, die alte Wunde seiner Lehrmeisterin wieder aufzureißen und sie zu bitten, das von ihr erwähnte Schwingen beim Klang des
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