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Mirad 02 - Der König im König

Titel: Mirad 02 - Der König im König
Autoren: Ralf Isau
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junge König sah ihr benommen nach. Rasch schrumpfte sie zu einem kleinen Punkt zusammen, der kurz darauf verschwunden war.
    Mit einem Mal hatte Twikus wieder Gewalt über seinen Körper. Er schwenkte herum. Höchste Zeit, in die Sooderburg zurückzukehren. Als sein Blick den bleigrauen Wolkenhimmel im Süden streifte, bemerkte er einen lichten Fleck. Jenseits des Horizonts und aus einem unerfindlichen Grund trotzdem sichtbar stand eine Leiter. Sie ragte vom Boden bis in die Wolken hinauf…
     
     
    Twikus fuhr aus dem Bett hoch und schnappte nach Luft. Besorgt sah er sich um. Unter der Tür drang etwas Licht ins Schlafgemach. Darin kauerten dunkle Schemen. Nur die Möbel, machte er sich klar. Nisrah hatte sich auf einem Stuhl neben dem Bett zu einer Kugel zusammengerollt. Twikus überlegte, ob er den Weberknecht wecken sollte, entschied sich dann aber dagegen.
    Ergil?
    Der König lauschte in sich hinein, aber sein Bruder antwortete nicht. Vielleicht klammerte der sich noch an dem Traum fest, um das Rätsel der riesenhaften Leiter zu ergründen. Twikus’ Bedarf an monströsen Überraschungen war fürs Erste gedeckt. Er schüttelte den Kopf, ließ sich ins Kissen zurückfallen und stieß einen Seufzer aus.
    »Wie ich diese Träume hasse!«

 
    2
     
    DER CHAMÄLEONE
     
     
     
    Die vier Krodibos und ihre in weiße Pelze gehüllten Reiter verschmolzen so vollkommen mit der Umgebung, dass man sie aus einhundert Schritt Entfernung kaum mehr wahrnehmen konnte. Nur der Nachzügler, ein Mann auf einem Schimmel, brauchte den doppelten Abstand, um sich unsichtbar zu machen.
    »Geht es noch, Fingard?«, rief Múria ihm zu.
    »Ja, Herrin«, keuchte der Bote, der es sich nicht hatte nehmen lassen, die königlichen Ermittler über den Soodlandbelt zu begleiten.
    Weit besser als Fingards Ross kamen die Krodibos mit den schwierigen Bedingungen zurecht. Von den Sirilim waren diese Reittiere einst wegen ihrer einzigartigen Verbindung aus Kraft, Ausdauer, Intelligenz und Grazie geschätzt worden. Wie alle zur Familie der Antholops gehörenden Arten besaßen auch die Krodibos ein vielfach verzweigtes Gehörn, das sie alle zwei Jahre abwarfen und, meist durch ein noch ausladenderes, erneuerten. Die fünf schneeweißen Exemplare in den königlichen Stallungen von Soodland waren ein Geschenk von Qujibo, dem Herzog von Bolk.
    Falgon führte die über das Eis galoppierende Gruppe an. Kurz hinter ihm ritt Ergil. Es folgten Popi, Múria und ganz zum Schluss Fingard. Schekira saß in ihrem duftigen Kleidchen auf einem Seitenast von Schneewolkes Geweih und musterte ihren Freund nun schon seit geraumer Zeit.
    »Was geht dir durch den Kopf?«, fragte der König die Elvenprinzessin, weil er ihren bohrenden Blick kaum noch ertragen konnte. Seine Stimme drang dumpf durch den wollenen Gesichtsschutz.
    »Was dir durch den Kopf geht.«
    Hinter den Sehschlitzen von Ergils Schneebrille blinzelte es. »Wie bitte?«
    »Du bist heute so nachdenklich. Ich würde gerne wissen, warum.«
    »Sieht man mir das an?«
    Sie kicherte. »So vermummt wie du bist? Gar nichts kann man dir ansehen. Aber ich kenne dich jetzt schon lange genug, um deine Einsilbigkeit zu durchschauen. Was beschäftigt dich? Ist es die Vision?«
    Die Gefährten waren noch vor dem Morgengrauen aufgestanden und beim Frühstück hatte Ergil von dem nächtlichen Höhenflug berichtet, jenem beunruhigenden Traum, der – wie schon einmal – fast aufs Haar demjenigen seines Bruders glich. Die Elvin hatte ihn eine Vision genannt und damit, vielleicht unbewusst, das Empfinden der Brüder bestätigt. Darüber zu sprechen fiel Ergil allerdings nicht leicht.
    »Ich werde das Gefühl nicht los, zwischen dem Auftauchen dieses Kaguan und meinem Traum könnte ein Zusammenhang bestehen«, erklärte er vorsichtig.
    »Ist das nicht der Grund, warum wir so Hals über Kopf aufgebrochen sind?«, erwiderte Schekira.
    »Man schafft es nur mit Mühe, den Belt an einem Tag zu überqueren.«
    »Die Krodibos sind schnell und ausdauernd.«
    »Wir müssen unsere Geschwindigkeit den Schwächsten in der Gruppe anpassen. Das sind Fingard und sein Pferd. Sie haben ja noch nicht einmal den gestrigen Ritt verkraftet.«
    »Du drückst dich um eine klare Antwort, mein Retter. Warum sagst du mir nicht, was dich wirklich beschäftigt?«
    Ergil schwieg einige Herzschläge lang. Schließlich antwortete er: »Es gab da noch ein paar andere Dinge in meinem Traum.«
    »Heißt das, du hast uns eine Kleinigkeit verschwiegen?«
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