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Mirad 02 - Der König im König

Titel: Mirad 02 - Der König im König
Autoren: Ralf Isau
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Während Letzteres das Land verdirbt, breitet Ersterer sich unaufhaltsam im Kopf aus und erstickt den Verstand. So wurde, was man Vania anlastete, nun immer öfter auf ihre Söhne übertragen.
    Weil sich deren Feinde keine Blöße geben und die Natur der Sirilimzwillinge offen als Ausdruck dunkler Mächte angreifen wollten, verbargen sie sich hinter scheinbar ehrbaren Ausflüchten. Sie sagten, die Brüder seien für das Königtum zu jung, zu unerfahren, zu schwach.
    Und zu uneins.
    Tatsächlich ging das Gerücht um, sie seien überhaupt nicht das, wofür sie sich ausgaben, sondern lediglich ein junger Mann mit einer gespaltenen Persönlichkeit. Selbst unter ihren Getreuen wurde gemunkelt, das Verhältnis zwischen Ergil und Twikus sei auf eine Weise gespannt, die dem Gedeihen des Königreiches nur abträglich sein konnte. Solche Gerüchte waren Gift in einer Zeit, da Mirad mehr denn je eine starke Führung brauchte. Allerdings war es allemal bequemer, sich in derlei Hetzreden und Halbwahrheiten zu ergehen, als der Wirklichkeit offen ins Auge zu blicken.
    Irgendetwas nicht Greifbares lastete wie ein dunkler Schatten auf der Welt.
    Obwohl die Chronistin – ebenso wie die beiden in einem Körper vereinten Könige – die Bedrohung aus dem Hintergrund spürte, vermochte sie ihr kein Gesicht zu geben. Nun verfügte sie seit ihrer Zeit als Herrin der Seeigelwarte über ein weit verzweigtes Netz an Gewährsleuten. Daher sandte sie ihre Botenfalken über das Land aus und wartete auf eine Nachricht, die, so unangenehm sie auch sein mochte, dem Schatten, der auf dem jungen Königtum von Ergil und Twikus lastete, endlich einen Namen gab. Insofern sie dieserart ihre »Fühler« bis ans Ende des Herzlandes ausstreckte, war es dann doch eine Überraschung, als der erste Hinweis auf die Natur des geheimnisvollen Übels ganz aus der Nähe kam.

 
    1
     
    DER BOTE
     
     
     
    Das Feuer in den Kohlenbecken kämpfte einen aussichtslosen Kampf gegen die frostige Kälte. Im Thronsaal der Sooderburg war es empfindlich kühl, obgleich dieser tief im größten Gebäude des Palastes lag, eingebettet in ein Labyrinth aus Gängen und Fluren.
    Anfangs hatten die Könige dieses steinerne Vermächtnis ihres Vorgängers Wikander nur stehen lassen, weil die Wiederherstellung von Recht und Ordnung im Reich ihnen vorrangig erschien. Als sie sich dann aber immer öfter mit Missgunst und Anfeindungen konfrontiert sahen, begannen sie den Schutz des mehrstöckigen Irrgartens zu schätzen. Inzwischen war sogar die Schneise repariert, die sie vor einem halben Jahr mithilfe ihrer Gabe quer durch das Gebäude geschlagen hatten.
    Mit etwas größerer Entschlussfreude waren sie den zahlreich über den Palast verstreuten Emblemen ihres Vorgängers zu Leibe gerückt. Auch im Thronsaal hatten sie den schwarzen Granitdrachen aus dem roten Marmorboden herausbrechen lassen. An seiner Stelle beherrschte nun eine kreisrunde Alabasterscheibe das Zentrum des Raumes. Irgendwann sollte sie das neue Wappenzeichen der Krone von Soodland aufnehmen, aber Ergil und Twikus hatten sich bisher für kein Symbol entscheiden können. So schimmerte die weiße Fläche fahl im Dämmerlicht der Halle. Wie ein unbeschriebenes Blatt.
    »Habe ich mich verändert, Popi?« Der König saß zusammengesunken auf dem Thron. Seine Hand spielte unter dem Umhang mit dem Blütengriff des Schwertes Zijjajim, das wie ein Gürtel aus Glas seinen Leib umschlang. Ergils Frage galt einem jungen Rekruten der Palastwache. Obwohl es die Stunde der Morgenaudienz war, wollte sich niemand am Frieren der beiden beteiligen.
    Popi ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Seitdem er Ergil vor einem halben Jahr vom Knochenturm hinabgeführt hatte – kurz zuvor war Wikander von Twikus besiegt worden –, folgte er dem König wie ein Entenküken seiner Mutter. Die Elvenprinzessin Schekira scherzte gelegentlich über diese Anhänglichkeit des Rekruten, aber dem jungen Monarchen kam dessen Diensteifer durchaus gelegen. Twikus schätzte den etwa Gleichaltrigen, weil er sich neben ihm wie ein weiser König vorkam, und Ergil, weil er in Popi einen, wenn auch bescheidenen, Ersatz für Tusan sah – der Fährtensucher weilte immer noch bei seinem Vater, dem Herzog von Bolk. Die Vorgesetzten Popis waren angewiesen worden, dessen Diensteifer in keiner Weise zu behindern.
    Die Beharrlichkeit des jüngsten Mitglieds der Palastwache stand in keinem Verhältnis zu seinen sonstigen Qualitäten. Falgon pflegte zu sagen, der
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