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Mirad 02 - Der König im König

Titel: Mirad 02 - Der König im König
Autoren: Ralf Isau
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den Saal, so als sei in den Höhlen unter dem Berg ein Chor von Riesen zu einem lang gezogenen Seufzer vereint.
    »Hast du das gehört?«, stieß Ergil hervor.
    Popi verdrehte die Augen zur Decke, lauschte andächtig und schüttelte dann den Kopf. »Nein. Aber warum zittern deine Hände so?«
    »Nicht meine Hände beben, sondern Himmelsfeuer. Ich kann es kaum halten.«
    »Und was bedeutet das?«
    »Frag mich was Leichteres. Aber ich fürchte, nichts Gutes. Nisrah sagte, das Schwert sei aufgeregt. Was immer er damit gemeint hat, wir sollten es herausfinden. Lauf schnell, Popi! Hole Múria und Falgon. Ach ja, und sollte dir Schekira begegnen, dann schick sie auch zu mir.«
     
     
    Als der Waffenmeister Falgon und die mittlerweile zur Hofgeschichtsschreiberin ernannte Múria den Thronsaal betraten, war das Zittern bereits aus dem gläsernen Schwert gewichen. Ehe die miteinander Verlobten den etwa siebzig Fuß langen Raum durchquert hatten, schwirrte ein irisierender Eisvogel aus einer der Öffnungen herab, die dank eines ausgeklügelten Systems aus Spiegeln den großen Saal mit kargem Tageslicht versorgten. Da Popi den Königen so gut wie nie von der Seite wich, hatte es Schekira längst aufgegeben, ihre wahre Gestalt vor ihm zu verbergen. Das bunte Federknäuel ging in einer schillernden Wolke auf, die sich hiernach in eine Elvin verwandelte.
    Schekira trug ein himmelblaues kurzes Kleid, das bis zu den Hüften eng geschnitten war und sich darunter in mehreren hauchdünnen Lagen bauschte. Zwei Elvenhandbreit über ihren Knien endete das für die Jahreszeit ziemlich leichte Gewand. Auf ihrer Haut lag ein Schimmer wie Perlmutt, den ein unbedarfter Betrachter wohl für das Glitzern von Eiskristallen gehalten hätte (Ergil wusste es besser). Sie strich sich das kupferfarbene lange Haar aus dem Gesicht und strahlte den König mit ihren goldenen Augen an.
    »Dein Leibwächterlein klang ziemlich aufgeregt. Ich hätte ja gerne verstanden, was eigentlich passiert ist, aber er hat leider viel zu schnell gesprochen.«
    »Mach dich nicht über Popi lustig, Kira.«
    »Das würde ich mir nie erlauben, mein Retter, doch vergiss nicht, dass ich viermal so alt bin wie dieses Küken.«
    »Ich habe ihn gerade zu meinem Knappen ernannt.«
    Die Elvin hob eine Augenbraue. »Einen Bauernjungen?«
    »Das Herz ist es, was einen Menschen wirklich adelt, Kira, nicht sein Blut.«
    Inzwischen hatten auch Múria und Falgon den Thron erreicht. Die Hofgeschichtsschreiberin schmunzelte. »Vielleicht sollte ich ein Buch für Seelenkunde zurate ziehen, um herauszufinden, warum du und dein Bruder euch immer wieder so kleine Gefährten erwählt.« Sie zwinkerte Schekira verschwörerisch zu.
    »Mir ist jetzt wirklich nicht nach Scherzen zumute«, klagte Ergil. In knappen Worten erzählte er, was mit Himmelsfeuer geschehen war. Unterdessen kehrte auch der frisch gebackene Schildknappe in die Halle zurück.
    »Hat sich Zijjajim schon früher einmal so verhalten?«, erkundigte sich Múria, nachdem der König in ratloses Schweigen verfallen war.
    Er zuckte die Achseln. »Nicht, dass ich wüsste.«
    »Denk nach, Ergil!«
    »Einmal vielleicht.«
    »Wo und wann war das?«
    »Oben auf dem Knochenturm. Als ich Wikander mit dem gläsernen Schwert entgegengetreten war.«
    »Du meinst, als die ganze Insel diesen schrecklichen Laut vernahm?«
    Ergil nickte mit glasigen Augen. »Als würde der Todesschrei des Drachen, der seine Gebeine für den Bau des Turms hatte hergeben müssen, aus der Vergangenheit zu uns herüberhallen. Aber heute schien es anders. Wie ein langes Seufzen.«
    »Also, ich habe gar nichts gehört«, gab Falgon zu bedenken.
    Popi und Schekira nickten bestätigend.
    Múria ergriff Ergils Hand. Ihre Stimme klang beschwörend. »Streng dich an, Lieber. Wann genau ist damals der Schrei erklungen?«
    Ergil wurde nicht gerne an jenen mörderischen Kampf erinnert, dem er sein Königtum verdankte. An jenem Tag hatte er seinen Oheim umgebracht. »Es war…« Er zögerte. »Ja, es war, als Zijjajim und Wikanders schwarzes Kristallschwert zum ersten Mal aufeinander prallten.«
    »Herr der himmlischen Lichter, steh uns bei!«, stieß Falgon hervor.
    Múria nickte nur wissend.
    Ergil sah die beiden verständnislos an. »Ihr glaubt doch nicht, diese ganze Sache könnte etwas mit Schmerz zu tun haben. Wikanders Schwert ist ins Schollenmeer gefallen.«
    »Ebenso wie dein Himmelsfeuer. Ist es aber dadurch verloren gegangen?«
    »Wir alle wissen, wie ich es
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