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Minus 0: Märchen-Thriller (German Edition)

Minus 0: Märchen-Thriller (German Edition)

Titel: Minus 0: Märchen-Thriller (German Edition)
Autoren: Robin Theis
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so edel aussah wie der des Kartenspielers, sondern er sprang mit dem Kopf voraus in den Brustkorb des Kartenspielers. Die Messer, die er aus seinem Mantel zog, kamen nicht mehr zum Einsatz, sondern landeten noch vor ihm auf dem Boden, als der Kartenspieler rückwärts von seinem vertrauten Baumstamm stürzte. Auf den Gedanken neue Messer zu ziehen kam er nicht mehr, denn seine Sicht wurde verdeckt, als sich Willis Krallenfuß näherte und über sein Gesicht stülpte. Die Krallenspitzen hakten sich in seiner Stirn fest.
    „Zieh noch ein Messer und ich entstelle dein ganzes Gesicht“, sagte Willi. „Versuch dich loszureißen und ich mache aus deinem Gehirn Püree.“
    „Ich hasse dich. Ich hasse...“, keuchte der Kartenspieler unter dem Krallenfuß. „Ich hasse euch alle. Ich will euch alle umbringen, da ich euch so sehr hasse, noch mehr als mich selbst.“
    „Meine Bauchtasche ist etwas weit weg, also reich mir bitte aus deinem Mantel die Schachtel Zündhölzer“, bat Willi. „Und komm nicht auf dumme Gedanken.“
    Der Kartenspieler ging der Bitte nach, was von Willi mit einem freundlichen „Danke“ quittiert wurde. Seine erloschene Zigarre zündete er mit einem Streichholz wieder an und pustete den ersten Rauch in die Luft.
    „Ist es nicht traurig zu welchen Monstern wir verkommen sind?“, fragte Willi. „Sag mir, was haben uns all die Jahre der Rache gebracht?“
    „Du redest von Gnade für das Dorf und für mich?“ Der Kartenspieler lachte auf. „Gnade? Wann hatten wir je Gnade erfahren, sag es mir.“
    Willi ging auf die Frage des Kartenspielers nicht ein. „Ich dachte all die Zeit, irgendwann werde ich mich besser fühlen. Ich dachte, durch den Tod meiner Peiniger würde im Gegenzug etwas Leben zurückkehren. Doch das tat es nicht.“
    „Zwischen uns gibt es einen Unterschied“, sprach der Kartenspieler und fing schnappend die Luftzüge, die es unter den press angelegten Krallenfuß schafften. „Du wolltest dich rächen für ein Leben, das dir genommen wurde. Ich wollte Rache, für ein Leben, dass ich nie leben durfte.“
    „Und machte es dich glücklich?“
    „Wenn du mich fragst, ob es mich glücklich macht mit Goldtalern um mich zu schmeißen, Huren zu ficken und keine Freunde zu kennen zwischen hundert Menschen, von denen ich weiß, dass ich sie umbringen werde...“ Der Kartenspieler hielt einen Moment inne. „Das kann kein Glück sein. Glaube ich, denn Glück kenn ich nur aus der Lektüre. Aber was mir Freude bereitet ist, dass meine Peiniger, die mich als Kind hänselten, heute vor Furcht vor mir auf die Knie gehen.“
    „Haben wir je für Respekt oder für Liebe gekämpft?“, fragte Willi. „Was wollten wir je damit erreichen, außer zwei sinnlosen Leben eine brutale Aufgabe aufzuzwingen?“
    „Der Hass trieb uns zu außergewöhnlichen Taten, das ist wahr und ich fürchte es gibt keinen Weg mehr zurück. Zumindest für mich nicht mehr, denn meine Zeit ist abgelaufen. Auf der Suche nach ständiger Anerkennung fand ich in meiner dreckigen Seele einen Schatz.“ Er lachte über seine Wortwahl. „Einen verdammten Schatz aus Hass, aus purer Scheiße, aus meinem lieblosen Leben. So bitte, zeig mir deine Gnade, indem du mich umbringst. Wirf mich mit meinem Schatz zurück ins Meer. Versenke mich in der Tiefe.“
    Willi spannte seinen Krallenfuß an und zog ihn quer über das Gesicht des Kartenspielers. Der Kartenmann schrie auf, als sein Gesicht mit drei dunkelroten Schlitzer entstellt wurde. Er sprang plötzlich auf und wollte Willi hinterher, der sich umdrehte und davonschritt.
    „Bring es zu Ende!“, schrie der Kartenspieler wütend, der bereits mit sich abgeschlossen hatte. „Ich hab keine Angst vor dem Tod! Ich brauch dein scheiß Mitleid nicht!“
    „Die Narben sollen dich daran erinnern, nie wieder einen Fuß in Blutwäldchen zu setzen“, sprach Willi. „Schenk deinem grauen Leben etwas Farbe und du wirst Angst vor dem Tod haben. Nicht vor dem Tod an sich, sondern davor, nie wieder Menschen zu sehen, die du liebst, nie wieder gute Freunde in den Arm zu nehmen, nie wieder zu sehen, wie dich deine Frau anlächelt.“ Willi drehte sich ein letztes Mal zu seinem alten Freund „Jack“ um. „Ich bin wie du, Kartenspieler. Wir Schlächter können uns gegenseitig nicht umbringen, nein. Wenn du stirbst, dann durch die Hand eines gerechten, barmherzigen Mannes, der dich von dieser Welt wischen wird wie eine Fliege vom Brot. Bis dahin - genieß dein Leben.“
    Der Pinguin
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