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Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Titel: Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc
Autoren: SF-Online
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Gefühl in der
    Kehle. Erst als ich mir über die Lippen leckte, begriff ich, dass mir Tränen die Wangen herabliefen. So humpelte ich abwärts, den Berg uneinnehmbar und unzugänglich hinter mir wissend, ein schwarzer Schatten in der Nacht, und wenn schon, was machte es noch, jetzt, da jeden Moment ein Schuss in den Rücken oder in den Hinterkopf meinem Weg ein Ende bereiten würde? Ich schleppte mich dahin, verärgert, dass sie es so lange hinauszögerten, den Gnadenstoß, den Fangschuss, die finale Kugel. Ich konnte es schon kribbeln spüren, hinten, da, wo ihr aufzutreffen bestimmt war. Oder meldete sich da ein weiterer künstlicher Sinn, von dem ich nichts gewusst hatte, ein Sinn, der imstande war zu fühlen, wann und wo der rot glosende Punkt eines Ziellasers über meinen Körper tastete?
    Ich drehte mich nicht um. Ich würde mich nicht umdrehen, nein. Diese Genugtuung würde ich ihnen nicht geben. Wenn sie mich erschossen, dann sollten sie es meuchlings tun wie die Feiglinge, die sie waren.
    334
    Was ich bisher in Worten und Werken geleistet habe, ist nichts.
    Alles sind nur wertlose und trügerische Äußerungen meines Wesens. Sie sind auf manche Weise täuschend verkleidet. Wie weit ich es wirklich gebracht habe, das kann ich erst dem Tode glauben.
    Seneca, EPISTOLAE MORALES

21
    Sie haben nicht geschossen. Und ich fürchte, ich weiß jetzt, warum. Ich fürchte, ich habe die Erklärung dafür gefunden, warum ich verschont geblieben bin.
    Ich habe mich nicht umgedreht. Ich bin, steif wie ein Stock, davongehumpelt, auf einen Schuss wartend, der ausblieb. Sie sind mir nicht einmal gefolgt, und ich wage nicht zu hoffen, dass es daran lag, dass die Schafe sie überrannt hätten. Ich schätze, sie haben ein Massaker unter den unschuldigen Tieren angerichtet, bis sie gemerkt haben, was los ist, und dann aufgehört zu schießen, aber sie sind mir anschließend nicht gefolgt.
    Wobei das sowieso ein dummes Manöver war mit dem
    Paniklaut. Ein lächerlicher Versuch, einen Helden zu spielen, wie es ihn nur in Filmen gibt.
    Ich glaube, ich habe zu viele Filme gesehen in meinem
    Leben. Jedenfalls, in jedem typischen Hollywood-Actionfilm gibt es diese Szene kurz vor Schluss, in der es für den Helden eng aussieht, verdammt eng. Doch obwohl er nach
    menschlichem Ermessen keine Chance mehr hat, gelingt es
    ihm, das Blatt ein letztes Mal zu seinen Gunsten zu wenden und damit zu siegen. In Terminator schafft es Sarah Connor, ruhig zu bleiben, während die letzten Überreste des
    unzerstörbar scheinenden Roboters schon nach ihrem Hals
    335
    greifen, und die Hydraulikpresse im genau richtigen Moment zu betätigen. In Die Hard hat der Held, den Bruce Willis spielt, weit genug vorausgedacht und sich mit Klebstreifen eine
    Pistole in den Nacken geklebt, sodass sie griffbereit ist, als man ihm befiehlt, die Hände zu heben. Und so weiter. Klugheit und Tapferkeit siegen, egal wie aussichtslos die Lage scheint, lehrt uns der Film.
    Das war es, was ich probiert hatte. Mich letztendlich doch noch als Held zu beweisen. Ein alberner Versuch, der
    gescheitert ist, weil er weder klug noch tapfer war und vor allem, weil dies kein Film war, sondern die Wirklichkeit, in der selbst Tapfere und Kluge scheitern können.
    Ich schleppte mich den Abhang abwärts, sinnlos darum
    bemüht, das rechte Bein nicht zu beugen, sondern nur als Stütze zu benutzen, und der ganze Lärm und Aufruhr blieb einfach hinter mir zurück, wurde aufgesaugt von der Nacht und hauchzartem Nebel. Irgendwann war ich wieder allein und
    doch nicht allein: Ich hörte Stimmen, ferne Schritte, das metallische Knacken von Gewehrsicherungen, wusste mich
    umzingelt von unsichtbaren Treibern, einem weiten, nur zu erahnenden Bogen von Verfolgern, die es nicht dulden würden, wenn ich einen anderen Weg einschlug als den zurück nach Dingle.
    Der sich endlos hinzog. Je länger es ging, desto kürzer
    wurden die Abstände, in denen ich Pausen einlegen musste, lange Minuten, die ich schweißnass und keuchend dastand wie eine vergessene Vogelscheuche und mir wünschte zu sterben.
    Mein linkes Bein, das die ganze Arbeit zu leisten hatte, meinen dreihundert Pfund schweren Körper Schritt um Schritt
    voranzuwuchten, zitterte vor Entkräftung. Aber ich durfte die Kraftverstärkung nicht einschalten, weil es mir, jedes Mal 336
    wenn ich es versuchte, den rechten Oberschenkel zu zerreißen drohte.
    Obwohl ich nach einiger Zeit eine hinkende, schleifende, entsetzlich mühsame Art der
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