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Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Titel: Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc
Autoren: SF-Online
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verteilt es nichts. Ein Kabel geht hinein, ein anderes hinaus.«
    Dr. O'Shea nahm eine Lupe zur Hand und studierte das Foto aus der Nähe. »Ja, stimmt. Und wie es aussieht, endet das untere in einem Stecker und das obere in einer Buchse.
    Womöglich könnte man sie direkt zusammenstecken und das
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    Implantat herausnehmen.« Er sah mich an. »Könnte es eine Art Transformator sein?«
    Die Vorstellung, zumindest eines der Implantate
    loszuwerden, hatte etwas berauschend Verführerisches. »Und wenn wir es einfach probieren?«, schlug ich vor. »Sie öffnen die Wunde so weit, dass Sie an die Kabelenden herankommen, und stecken Sie probehalber zusammen. Dann sehen wir ja, was passiert.«
    »Und wenn in den Kabeln unterschiedliche Spannungen
    herrschen? Dann brennen womöglich Ihre ganzen anderen
    Aggregate durch.«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich will nicht behaupten, dass ich die technischen Spezifikationen bis in ihre letzten Feinheiten verstanden habe, aber in einigen Dingen sind sie zum Glück von beruhigender Eindeutigkeit. Das hier war eines davon.
    »Das ganze System arbeitet mit einheitlicher Spannung, genau 6,2 Volt. Was immer das ist, ein Transformator ist es nicht. Es gibt keine Notwendigkeit für einen Transformator.« Selbst wenn, hätte es keinen Sinn gemacht, ihn an dieser Stelle anzuordnen. Und was hätte an einem Transformator
    kaputtgehen sollen, das sich mit einer durch die Bauchdecke gestoßenen Ahle reparieren ließ? »Lassen Sie es uns
    probieren.«
    »Das ist riskant«, meinte Dr. O'Shea.
    »Was ist daran riskant?« Ich humpelte zurück zur Liege und ließ mich rücklings darauf sinken. »Sie ziehen die Kabelenden ab. Natürlich wird mich das lähmen, aber wenn Sie sie
    zusammenstecken und ich trotzdem nicht in Gang kommen
    sollte, stellen Sie einfach die ursprüngliche Situation wieder her.«
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    »Es gibt keine Garantie dafür, dass das Implantat dann
    wieder funktioniert.« Er sah auf mich herab, das Gesicht sorgenvoll, aber in den Augen ein begehrliches Funkeln. »Das ist eine Nummer größer als alles, was ich bis jetzt an Ihnen gemacht habe.«
    O'Shea hat schon mehrmals locker gewordene
    Steckverbindungen miteinander vernäht, das erste Mal vor etwa fünf Jahren, als sich die ersten beiden Glieder meines rechten Ringfingers plötzlich nicht mehr bewegen ließen. Ihn dazu zu bringen, meinen Arm zu röntgen, war nicht weiter schwer gewesen, aber es hatte den gesamten restlichen Abend bis in die frühen Morgenstunden gedauert, bis er aufhören konnte, sich zu wundern über das, was die Bilder zeigten und was ich ihm dazu erklärte. Wir brauchten dann noch einmal einen Abend, bis wir den genauen Verlauf der
    Stromversorgung in Hand und Unterarm verstanden und den
    Wackelkontakt ausfindig gemacht hatten: ein Steckerpaar nahe des Ellbogens. Dann waren es nur noch ein Schnitt und ein paar Nähte gewesen, eine Sache von zehn Minuten, und der Ringfinger tat's wieder.
    »Gibt es überhaupt Garantien?« Ich rutschte auf der Liege umher, auf der Suche nach einer bequemen Position. Ich hatte nicht vor, ohne Operation wieder aufzustehen. »Ich habe keine Garantie, dass der Strom nicht mitten auf der Straße wegbleibt.
    Ich habe keine Garantie, dass nicht irgendein anderes Teil ausfällt oder verrückt spielt und mir den Rest gibt. Wenn jemand nicht glauben sollte, ewig zu leben, dann bin ich das.«
    In dem Moment, in dem ich das sagte, fiel es mir ein: Das war Seneca. Er meint – zumindest habe ich ihn so verstanden –, dass wir, wenn wir uns unserer Hinfälligkeit nicht bewusst bleiben, dazu neigen, unsere Tage zu verschwenden. Und
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    damit letztlich unser Leben. »Wenn Sie wollen, unterschreibe ich Ihnen irgendwas, dass Sie an nichts schuld sind.«
    Dr. O'Shea seufzte. »Also, wenn ich es recht bedenke, kann ich mir nicht vorstellen, dass ein militärisches System
    übermäßig anfällig konstruiert sein wird. Von mir aus.« Er holte sterile Tücher, eine Spritze und eine Ampulle, deren Inhalt er sorgsam aufzog und mir rund um die Wunde
    injizierte. Während das Lokalanästhetikum zu wirken begann, desinfizierte er den Bauch mit einem stinkenden roten Zeug und ging dann, während es trocknete, das Operationsbesteck zusammensuchen.
    Ich starrte derweil an die Decke und versuchte, nicht an früher zu denken. Vergebens natürlich. Und dann tauchte
    O'Shea auch noch in meinem Gesichtsfeld auf und fragte,
    während er sich die Handschuhe überstreifte: »Habe ich Sie schon mal gefragt, wie viele
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