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Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Titel: Mick Jagger: Rebell und Rockstar
Autoren: Marc Spitz
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ist es diese Toughness, die sein Image als knallharter Kerl bis heute bestimmt. Im Gegensatz dazu wuchs Mick (der damals noch »Mike« genannt wurde) in einer Gegend auf, die Keith – womöglich nicht ohne eine Spur Neid – als »Posh Town« bezeichnete. Beide jedoch wurden geprägt von ihrer Heimatstadt, die sich in schweren Zeiten durch Unerschütterlichkeit auszeichnete.
    Sowohl Mick als auch Keith stammen aus britischen Mittelklasse-Familien, in denen beide Elternteile hart arbeiteten. Allerdings gibt es auch innerhalb der britischen Mittelschicht feine Unterschiede. Diejenigen, die »posh« waren, wie Mick, zählten zum oberen Mittelstand. Statt in einem Reihenhaus wohnten sie in einer Doppelhaushälfte, zu der oft auch ein kleiner Garten gehörte; man hob sich ein wenig von der Masse ab, war ein bisschen etwas Besonderes. Für echte Londoner waren sie trotzdem nicht mehr als Provinzler (ein Vorurteil, dass, wie einige meinen, bei Mick zur Überkompensation führte). Dartford wurde durch eine Bahntrasse geteilt. Keith lebte schon damals sozusagen im Jenseits, in einem Gebiet in der Nähe eines dunklen Waldstücks, das von Fabriken, Industriebauten und Krankenhäusern im neogotischen Stil geprägt wurde. Mick wohnte auf der etwas ansehnlicheren Seite. Doch ebenso wie Keith wurde er zur richtigen Zeit am falschen Ort geboren. Es war der Rock’n’Roll, der ihren Blick bald über die Stadtgrenzen hinaus lenken sollte.
    In Anbetracht dieser Umstände würde man von beiden wohl nur Keith als geborenen Rock’n’Roller bezeichnen. Sein Vater Bert, ein Kriegsveteran, hatte zu seinem Sohn ein sehr distanziertes Verhältnis. »Es war unmöglich, ihm nahezukommen«, sagte Keith über ihn. »Er wusste nicht, wie er sich öffnen sollte.« Mick hatte zu seinem Vater hingegen eine sehr enge Beziehung. Basil Jagger, der von allen nur Joe genannt wurde, war schon als Kind ein Sport-Ass gewesen und hatte sich später als Sportlehrer und Fitnessexperte einen Namen gemacht. Vater und Sohn sahen einander sehr ähnlich: Beide waren schlank, verfügten aber zugleich über eine extrem starke Muskulatur, sie hatten abstehende Ohren, verständnisvolle braune Augen und die berühmten, ausgeprägt fleischigen, ungewöhnlich roten Lippen. Joe erkannte viel von sich selbst in Mick, und dementsprechend erzog er seinen Sohn streng, aber immer fürsorglich. Er legte viel Wert auf sportliche Betätigung und die Förderung der geistigen Fähigkeiten des aufgeweckten Jungen. Um die kreative Seite kümmerte sich Micks Mutter. Die aus Australien stammende Eva Jagger wollte mit einer perfekten englischen Familie glänzen und war deshalb auf die Wahrung traditioneller Gepflogenheiten bedacht. Ihr besonderes Interesse galt der Hausmusik. »Vor anderen etwas aufzuführen ist etwas, das manche Kinder einfach können und andere nicht«, sagte Mick Jagger 1995 in einem Rolling Stone -Interview. »In jener post-edwardianischen Zeit, vor der Einführung des Fernsehens, war bei Familientreffen jeder mal dran. Du sagtest ein Gedicht auf und irgendein Onkel spielte Klavier und sang dazu. So hatte jeder was zu tun. Ich war einfach eines der Kinder [die Spaß daran hatten].« Seine musikalische Begabung erfreute besonders seine Mutter, hingegen erfüllten sein sportliches Talent und seine Disziplin den Vater mit Stolz. Zur Zeit von Micks Geburt arbeitete Joe als Sportlehrer am städtischen Strawberry-Hill-College. Und nebenher knüpfte er, ehrgeizig wie er war, Kontakte zu verschiedenen nationalen Behörden, darunter auch das British Sports Council. Zuhause arbeitete er Trainingskonzepte und Fitnessprogramme aus und stellte für Mick und seinen jüngeren Bruder Christopher ein Trainingsprogramm zusammen, das aus Gymnastik- und Kraftübungen bestand. Ziel dieses Trainings war, den Charakter der Kinder zu formen und ihre Entschlusskraft zu fördern – eine sehr offensive Gesundheitsstrategie.
    Während Mick prinzipiell alles hätte werden können, sich jedoch früh für eine Karriere als Rocker entschied, hatte Keith, der nur wenig zu verlieren hatte, kaum eine andere Wahl gehabt. Als Teenager bezog er regelmäßig Prügel von den Halbstarken, die in den immer noch von Trümmern gesäumten Straßen auf seiner Seite der Bahngleise herumlungerten. Zu jung, um ebenfalls einer der lauten, dandyhaften Teddy Boys zu werden – jener halbseidenen britischen Jugendkultur, die angesagt war, bevor Elvis’ Stern aufging –, rebellierte Keith im Stillen in Cowboy-Hemd
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