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Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Titel: Mick Jagger: Rebell und Rockstar
Autoren: Marc Spitz
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förmlich ins Gesicht lacht. Ich verehre ihn dafür, dass er Fans wie Johnny Thunders, die es ihm gleichtun wollten, überlebt hat und dass er sich über jede neue, morbide Prominenten-Todesliste mit der Überschrift »Das sind die Nächsten« amüsieren kann, auf denen er an erster Stelle steht. Jedes weitere Jahr, das Keith durchhält, jeder verstorbene Fan, den er überlebt, jede astronomische Gage, die er einsackt, ist wie ein Tusch für den gewöhnlichen Sterblichen.
    Mick Jagger ist dieser gewöhnliche Sterbliche – trotz all seines Jetset-Gehabes: verwundbar, auf der Suche, skeptisch, etwas so Monolithischem wie dem Rock’n’Roll niemals ganz und gar verpflichtet. Die Rolling Stones sind eine Verpflichtung für Keith und eine Verpflichtung für uns. Was Mick betrifft, so unterstützen sie seine philosophische Sinnsuche ebenso wie sie sie manchmal verhindern. »Ian Stewart sagte einmal zu mir: ›Falls Mick irgendwann einmal seine wahre Identität finden sollte, ist das das Ende der Rolling Stones‹«, erzählte Keith Altham. Er sprach hier vom Mitbegründer, Pianisten und dem eigentlichen Gewissen der Band, dem Schotten »Stu«, den der einstige Stones-Manager Andrew Loog Oldham zum Roadie degradierte und der der zweite Rolling Stone war, der von uns ging (1985 im Alter von siebenundvierzig Jahren). »Dieses ganze Rolling-Stones-Ding ist für ihn in gewisser Weise eine Suche nach sich selbst«, so Altham. Solange Mick noch mitmacht, ist er noch auf der Suche, und wenn er immer noch überlegt, wer er ist, dann sollte es für uns selbstverständlich sein, der Versuchung zu widerstehen, mit so einfachen Antworten wie »Brenda« aufzuwarten. Es gibt ein berühmtes Foto, das Mitte der 70er-Jahre geschossen wurde, darauf ist Mick Jagger zu sehen, wie er vor einem T-Shirt mit der Aufschrift »Who the Fuck Is Mick Jagger?« steht. Sein Gesichtsausdruck ist unergründlich. Falls die Stones während der Lektüre dieses Buchs tatsächlich wieder auf Tour sein sollten (eine Überraschung zum fünfzigsten Bühnenjubiläum ist ja angeblich geplant), dann geistert die Antwort da draußen immer noch irgendwo rum und wird wahrscheinlich niemals wirklich entdeckt werden. Ich hoffe, dieses Buch kann wenigstens ein paar neue Denkanstöße bieten.
    Marc Spitz
    New York, im Mai 2011

    © Ken Regan /Camera 5
    »Gimme Mick!«: Gilda Radner mit dem von ihr parodierten Rockstar, 1978.

    © Redferns

ICH
SINGE
GERN
KAPITEL 1

  P  hil Spector, der charakterlich schwierige und dennoch geniale Produzent und Wegbereiter der modernen Musikindustrie, sagte einmal: »Ich glaube, die englischen Kids haben Soul. Man sagt ja, die Wurzel des Souls sei das Leid. Für die Schwarzen war das die Sklaverei. Und den Arsch voll bombardiert zu kriegen, ist eine weitere Möglichkeit, sich auf ehrliche Weise ein bisschen Soul zu verdienen.« Wenn das stimmt, dann brachte Dartford, wo Mick und Keith in den späten 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts heranwuchsen, die souligsten aller englischen Kids hervor. Die etwa zwanzig Minuten Bahnfahrt von London entfernt liegende Stadt litt während des Zweiten Weltkriegs stark unter den deutschen Fliegerbomben. Als Michael Philip Jagger am 26. Juli 1943 das Licht der Welt erblickte, ließen die verheerenden Luftangriffe allmählich nach und das Blatt wendete sich zugunsten der Alliierten. So war am Tag vor Micks Geburt der italienische Hitler-Verbündete Benito Mussolini abgesetzt und die von ihm gegründete National-Faschistische Partei aufgelöst worden. Wer nach einem prägnanten, frühen Bild für das Verhältnis zwischen Mick und Keith sucht, mag wohl die Tatsache bedeutungsvoll finden, dass Micks Elternhaus bei den Luftangriffen verschont blieb, während das Haus von Bert und Doris Richard im Sommer 1944 fast vollständig dem Erdboden gleichgemacht wurde – ihr einziges Kind Keith war damals noch keine zwei Jahre alt. Die meisten Einwohner Dartfords, die ausgebombt worden waren, lebten damals in provisorischen Behelfsunterkünften. Auch Familie Richard (das »s« am Ende des Namens fügten Keith und Stones-Manager Andrew Loog Oldham erst Jahre später hinzu) fand in einer eilig inmitten der Trümmer errichteten Notunterkunft eine neue Bleibe. »Wir waren alle Vertriebene«, sagte Keith über seine Kindheit. »Und während man die Stadt wieder aufbaute, gründeten sich an jeder Ecke Gangs.« Durch die Unsicherheit und Unbeständigkeit, mit denen er aufwuchs, wurde Keith früh abgehärtet, und im Grunde
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