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Michelle Reid

Michelle Reid

Titel: Michelle Reid
Autoren: Glut in dunklen Augen
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hinter das Steuer gleiten. Die auslaufende Wasserflasche ignorierte er. Reglos wie ein Stein saß Natasha da und sah starr auf ihre Hände, die verkrampft auf der schwarzen Handtasche lagen.
    Leo startete den Motor, legte einen Gang ein und lenkte den Wagen mit quietschenden Reifen auf die Ausfahrt zu. Kurz darauf umfing sie helles Tageslicht. Das im Wagen eingebaute Telefonsystem schaltete sich automatisch ein. Auf einer Anzeige im Armaturenbrett flackerte Ricos Name auf. Leo drückte einen Knopf am Lenkrad und schaltete das Telefon aus.
    Zehn Sekunden später begann das Handy in Natashas Tasche zu klingeln.
    „Nicht rangehen“, warnte er.
    „Hältst du mich für so dumm?“, stieß sie hervor.
    Danach warteten sie in angespanntem Schweigen, bis das Klingeln aufhörte und die Mobilbox den Anruf entgegennahm.
    Auf der Fahrt nach London meldete sich das Handy wieder und wieder. Und Leo wurde immer wütender. Er umklammerte das Lenkrad so fest, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten.
    Keiner von ihnen sprach ein Wort. Leo hatte keine Ahnung, was er hätte sagen sollen. Außer Obszönitäten, die die Frau neben ihn wahrscheinlich hätte erbleichen lassen, fiel ihm absolut nichts ein.
    Natasha hingegen hatte sich in sich selbst zurückgezogen und erlebte immer wieder die Geschehnisse in Ricos Büro. Sie wusste, dass ihre Schwester außer Kontrolle geraten war, aber dass Cindy so tief sinken würde …
    Immer wieder sah sie Cindys Gesicht vor sich. Triumph hatte sich auf ihrer Miene gespiegelt, gefolgt von einem nur allzu bekannten, trotzigen Schmollen, das Natasha die Wahrheit enthüllt hatte, warum ihre Schwester sich an Rico herangemacht hatte.
    Eigentlich wollte Cindy ihn gar nicht. Tatsächlich mochte sie ihn nicht besonders. Sie konnte nur den Gedanken nicht ertragen, dass Natasha irgendetwas bekam, das sie nicht zuvor selbst ausprobiert hatte.
    Egoistisch bis ins Mark, dachte Natasha gequält. Verwöhnt von zwei Eltern, die unbedingt glauben wollten, dass ihre Tochter der talentierteste Mensch der Welt war. Sie war hübscher als Natasha, lustiger und lebendiger und selbstverständlich viel begabter, als Natasha jemals hoffen konnte zu sein.
    Gesegnet, nannten ihre Eltern sie immer. Denn Cindy konnte auch noch singen wie ein Vogel und versprach die neuste Popsensation am englischen Musikhimmel zu werden. Nach ihrer Teilnahme an einem nationalen Gesangswettbewerb kannte jeder Cindys Gesicht. Natasha hingegen hielt sich nahezu unsichtbar im Hintergrund. Ihr Job war es, dafür zu sorgen, dass es in dem wundervollen Leben ihrer Schwester keine Probleme gab.
    Warum habe ich das zugelassen?, fragte sie sich nun. Warum war ich damit einverstanden, mein eigenes Leben auf Eis zu legen und den Babysitter für eine verzogene Göre zu spielen, die es immer gehasst hat, mit einer älteren Schwester alles teilen zu müssen?
    Weil, so lautete die einfache Antwort, ihre Eltern zu alt waren, um Cindy in Zaum zu halten. Und irgendjemand musste sich darum kümmern, dass ihre Schwester nicht völlig aus der Bahn geriet.
    Und, gib es ruhig zu, Natasha, anfangs warst du doch auch begeistert und stolz, ein Teil von Cindys aufregendem Leben zu sein.
    Cindy hasste ihre Anwesenheit natürlich. Du hast dich nur an meinen Rockzipfel gehängt, sagte sie immer.
    Wahrscheinlich stimmte das. Sie war zu einem pathetischen Anhängsel eines Popsternchens geworden, das auf herabfallende Krumen wartete, um ein bisschen am Ruhm ihrer Schwester teilzuhaben.
    Rico kennenzulernen bedeutete für Natasha, ein echter Mensch mit eigenen Rechten und Gefühlen zu sein. Leider hatte sie geglaubt, er habe sich tatsächlich in sie verliebt.
    Was für ein Witz, dachte sie jetzt. Alles war bloß ein schlechter Scherz.
    Rico und Cindy …
    Tränen brannten in ihren Augen.
    Rico hatte mit ihrer Schwester getan, was er ihr immer verweigert hatte.
    Ein tiefer Seufzer entrang sich ihrer Kehle.
    „Alles okay?“, fragte der Mann neben ihr.
    Natürlich nicht!, wollte Natasha ihn anschreien. Ich habe gerade gesehen, wie mein Verlobter Sex mit meiner Schwester hatte!
    „Ja“, flüsterte sie stattdessen.
    Leo warf ihr einen raschen Seitenblick zu. Sie hatte sich nicht gerührt, saß immer noch mit gesenktem Blick stocksteif da, die Hände über ihrer Tasche gefaltet.
    Hatte Rico diese Frau jemals auf seinem Schreibtisch verführt, wie er es mit ihrer Schwester getan hatte?
    Als hätte sie seine Gedanken gehört, hob sie in diesem Moment das Kinn und blickte durch die
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