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Meuterei auf der Elsinore

Meuterei auf der Elsinore

Titel: Meuterei auf der Elsinore
Autoren: Jack London
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Ihnen, daß ich Sie nicht belästigen werde. Ich bin früher schon mit Passagieren zusammen gefahren. Lassen Sie uns nur auf die richtige Art anfangen – dann wird es nicht schwer werden. Ich weiß schon, was mit Ihnen ist: Sie glauben verpflichtet zu sein, mich zu unterhalten. Ich habe noch nie Zeit gehabt, mich zu langweilen… und… außerdem… klimpern tue ich auch nicht.«

    Die Elsinore, die Kohlen geladen hatte, lag sehr tief, als wir längsseits kamen. Ich verstand zu wenig von Schiffen, um ihre Linien bewundern zu können, und war außerdem durchaus nicht in der Stimmung. Ich konnte mich immer noch nicht entscheiden, ob ich die ganze Geschichte aufgeben und mit dem Schlepper zurückkehren sollte oder nicht. Daraus darf man indessen nicht schließen, daß ich von Natur wankelmütig sei. Ganz im Gegenteil!
    Das Unglück war nur, daß ich auf diese Reise gar nicht versessen war. Wenn ich mich entschlossen hatte, so eigentlich nur, weil ich zu etwas anderm auch keine Lust hatte. Ich war nicht blasiert, und ich langweilte mich eigentlich auch nicht, aber das Leben hatte seinen Reiz für mich verloren. Ich interessierte mich nicht mehr für meine Mitmenschen und ihr dummes, kleinliches Streben, das sie selbst so ernst nahmen. Und schon seit langem war ich unzufrieden mit den Frauen. Ich hatte sie geduldet, war aber doch stets zu sehr geneigt gewesen, alle Mängel, die in ihrem Wesen wurzelten, zu ergründen, als daß ich mich von ihnen hätte betören lassen. Endlich hatte ich mich auch in der letzten Zeit davon bedrückt gefühlt, daß selbst die Kunst mir belanglos erschien – als ob sie nur Scharlatanerie sei, die nicht allein ihre Anhänger, sondern sogar ihre Ausüber hinter das Licht führte.
    Kurz – ich begab mich an Bord der Elsinore, weil das einfacher war, als es zu lassen; und dennoch war alles andere ebenso einfach… und darin lag eben die Gefahr. Das war der Fluch der Situation, in die ich unversehens geraten war. Das war auch der Grund, daß ich im selben Augenblick, als ich meinen Fuß auf das Deck der Elsinore setzte, schon halb entschlossen war, den Kapitän zu bitten, mein Gepäck an Bord des Schleppers zu lassen.
    Was mich zum Bleiben bewog, war, so glaube ich fast, das gastfreie Lächeln, mit dem Fräulein West mich willkommen hieß, und vielleicht auch das Bewußtsein, wie herrlich warm es in der Kabine sein mußte.
    Den Steuermann, Herrn Pike, hatte ich schon kennengelernt, als ich das Schiff im Erie-Dock besichtigte. Er lächelte ein steifes Nußknackerlächeln, von dem ich den Eindruck hatte, daß es weh tun müßte. Er reichte mir aber nicht die Hand, sondern drehte sich sofort wieder um und begann, einem halben Dutzend frierender Männer, die aus der Kuhle des Schiffes auftauchten, laute Befehle zu erteilen. Herr Pike hatte getrunken – das stand fest. Sein Gesicht war aufgedunsen und rot, seine großen grauen Augen waren böse und blutunterlaufen.
    Ich blieb stehen und sah sinkenden Mutes, wie mein Gepäck an Bord der Elsinore gebracht wurde, während ich meine Willensschwäche verfluchte, die mich hinderte, die paar Worte zu sprechen, denen zufolge Koffer und Kisten drüben geblieben wären. Die Männer, die jetzt das Gepäck nach achtern in die Kajüte trugen, wichen in jeder Beziehung von der Vorstellung ab, die ich mir von Seeleuten gemacht hatte.
    Einer von ihnen, ein junger Mensch von achtzehn Jahren mit lebhaften Zügen, lächelte mich aus eigentümlichen Augen an, die ganz italienisch anmuteten. Er war aber leider ein wahrer Zwerg. So klein war er, daß er nur aus Seestiefeln und Südwester zu bestehen schien. Er war auch kein reiner Italiener. So sicher fühlte ich mich in dieser Beziehung, daß ich den Steuermann fragte, der mürrisch antwortete: »Der da? Knirps? Ist halber Dago. Die andere Hälfte ist malaiisch oder japanisch.«
    Ein alter Mann – wie ich erfuhr, der Bootsmann – machte einen so gebrechlichen Eindruck, daß ich dachte, er müsse vor kurzem einen Unfall gehabt haben. Sein Gesicht war blöde und tierisch, und wenn er seine ungeschlachten Stiefel schlürfend über das Deck schleifen ließ, blieb er alle paar Schritte stehen, drückte die Hände gegen den Unterleib und machte eine komische Bewegung, als ob er die Därme zurechtrücken oder heben wolle. Viele Monate sollten vergehen, bis ich lernte, daß gar nichts dahintersteckte und daß diese Bewegung lediglich eine sonderbare Angewohnheit war. Er hieß, wie ich später erfuhr, Sundry Buyers. Er war
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