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Meuterei auf der Elsinore

Meuterei auf der Elsinore

Titel: Meuterei auf der Elsinore
Autoren: Jack London
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schnellen Blick zu und sagte: »Nur einen Augenblick, Herr Pathurst!«
    Er gab dem Untersteuermann einige Aufträge. Der drehte sich um und ging voraus. Ich blieb stehen und wartete, was Pike mir mitzuteilen hätte. Aber er schien nicht sprechen zu wollen, ehe der Untersteuermann außer Hörweite war. Dann beugte er sich zu mir herüber und sagte: »Bitte erzählen Sie keinem, was ich Ihnen über mein Alter gesagt habe. Bei jeder Anmusterung habe ich mich um ein Jahr jünger gemacht. Ich bin jetzt vierundfünfzig – nach der Musterrolle.«
    »Sie sehen auch nicht um einen Tag älter aus«, warf ich hin, und ich meinte wirklich, was ich sagte.
    »Ich fühle mich auch nicht älter. Ich kann mit den kräftigsten jungen Burschen um die Wette arbeiten. Aber lassen Sie bitte keinen Menschen etwas von meinem Alter ahnen. Die Schiffer sind nicht besonders scharf auf Steuermänner, die um die Siebzig sind. Die Reeder auch nicht, Herr Pathurst! Ich habe mir ja Hoffnung auf dieses Schiff gemacht, ich glaube, ich hätte es auch gekriegt, wenn der Alte sich nicht plötzlich entschlossen hätte, wieder in See zu stechen. Als ob er noch Geld nötig hätte, der alte Geizkragen!«
    »Hat er denn so viel?« fragte ich.
    »Na, und ob! Wenn ich nur ein Zehntel von seinem Geld hätte, könnte ich mich zurückziehen, mir eine Hühnerfarm in Kalifornien kaufen und wie ein Fürst leben – ja wenn ich nur ein Fünfzigstel hätte. Er hat Anteile von der Blackwood-Reederei, und die hat immer Schwein gehabt und viel Geld verdient. Ich fange an, alt zu werden, und es wird Zeit, daß ich ein Kommando kriege. Aber nein – der Alte mußte es sich in den Kopf setzen, wieder zu fahren, gerade als die Koje für mich gemacht war! Sie sagen also nichts von meinem Alter, Herr Pathurst – kein Wort, nicht wahr?«
    »Kein Wort, Herr Pike!«

    Reichlich durchfroren, wie ich war, überraschte mich die Wärme und Behaglichkeit in der Kajüte. Alle Türen standen offen, so daß man eine lange Zimmerflucht vor sich zu haben schien. Der Eingang von Deck auf Backbord führte in eine breite Diele, die mit schönen Teppichen ausgelegt war. Von hier aus gelangte man – ebenfalls auf Backbord – in fünf Räume: Dem Eingang am nächsten lag die Kabine des Steuermanns, daneben befanden sich die beiden Räume, die für mich in ein einziges großes Zimmer umgeändert waren, ferner die Kabine des Stewards und schließlich, unmittelbar daneben, ein Reserveraum, der für das Gepäck diente.
    Die Räume auf der anderen Seite der Diele kannte ich noch nicht, aber ich wußte, daß dort der Speisesaal war, die Badezimmer, die »große Kajüte«, die wirklich ein richtiger Salon war, die Kapitänskabine und zweifellos die Kabine Fräulein Wests. Ich konnte sie singen hören, während sie mit ihrem Gepäck herumhantierte. Die Pantry des Stewards, die durch einige Kreuzgänge und durch die zum Navigationshaus auf der Kampanje führende Treppe mehrfach geteilt wurde, war mit strategischem Weitblick in die Mitte gelegt, so daß sie das Zentrum bildete.
    Ich ging vorsichtig durch die Diele achteraus und sah, daß sie unmittelbar in die Achterpiek der Elsinore führte. Das war ein einziger großer, fünfunddreißig Fuß breiter und fünfzehn bis achtzehn Fuß langer Raum, dessen Seitenwände den geschwungenen Linien des Achterstevens folgten. Sie wurde offenbar als eine Art Vorratskammer verwendet – ich sah dort Aufwascheimer, ganze Rollen von Segeltuch, viele Kisten, auch Schinken und Speckseiten in Mengen. Eine Leiter führte durch ein enges Luk zur Kampanje hinauf. Im Fußboden war noch ein Luk zu sehen.
    Ich redete den Steward an – einen alten Chinesen mit glattem Gesicht und schnellen Bewegungen. Seinen Namen habe ich nie lernen können. Nach der Musterrolle war er fünfundsechzig Jahre alt.
    »Was ist da unten?« fragte ich und zeigte auf das Luk.
    »Das Lazarett«, antwortete er.
    »Und wer ißt hier?« Ich wies auf einen Tisch mit zwei Stühlen, die am Boden festgenagelt waren.
    »Dies zweiter Tisch. Hier Untersteuermann und Zimmerbaas essen.«
    Als ich Wada die nötigen Anweisungen zur Ordnung meiner Sachen erteilt hatte, sah ich auf meine Uhr. Es war noch ganz früh nachmittags, erst wenige Minuten nach drei. Ich ging deshalb wieder auf das Deck, um die Ankunft der Mannschaft zu beobachten. Leider kam ich zu spät, um sie aus dem Schlepper an Bord klettern zu sehen, traf aber vor dem Mittschiffshaus einige Nachzügler, die sich nach der Back begaben. Sie hatten
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