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Meuterei auf der Elsinore

Meuterei auf der Elsinore

Titel: Meuterei auf der Elsinore
Autoren: Jack London
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gab, etwas, das man nie auf einem Segelschiff zu finden erwartet hätte – ja, dann glaube ich genug gesagt zu haben.
    Selbstverständlich war für mich sofort ausgemacht, daß ich Baderaum und Messingbett haben mußte. Als ich aber die Vertreter ersuchte, diese Angelegenheit zu regeln, waren sie recht zurückhaltend, als ob es ihnen ein wenig peinlich sei… »Ich muß die Kabine haben«, sagte ich, »ob es hundert oder hundertfünfzig Dollar kostet…«
    Harrison und Gray, die Vertreter, besprachen die Sache miteinander, glaubten aber, daß es kaum möglich sein werde, Kapitän West dazu zu bewegen. »Das wäre das erstemal, daß ein Kapitän einen solchen Vorschlag ablehnte«, erklärte ich zuversichtlich, »selbst die Kapitäne der Europalinien verkaufen jederzeit ihre Kajüten…«
    »Schon möglich, aber Kapitän West ist nicht Kapitän auf einem Europadampfer«, meinte Harrison höflich.
    »Vergessen Sie nicht, daß ich viele Monate auf diesem Schiff zubringen muß«, antwortete ich. »Bieten Sie ihm tausend Dollar, wenn es sein muß.«
    »Ich werde es versuchen«, sagte Gray, »aber verlassen Sie sich nicht zu sehr darauf. Kapitän West ist augenblicklich in Searsport, und wir werden ihm noch heute schreiben.«
    Einige Tage darauf rief Gray mich an und teilte mir zu meinem Erstaunen mit, daß Kapitän West mein Angebot glatt abgelehnt habe. Am nächsten Tage erhielt ich einen Brief von Kapitän West. Er bedauerte, mich noch nicht kennengelernt zu haben, und versicherte, persönlich Sorge dafür tragen zu wollen, daß meine Räume komfortabel eingerichtet würden. Er hätte bereits dem ersten Steuermann der Elsinore entsprechende Anweisungen erteilt und ihn beauftragt, die Wand zwischen meiner Kabine und dem danebenliegenden Reserveraum herauszunehmen. Ferner teilte er mir mit – und von dieser Bemerkung stammt meine Abneigung gegen Kapitän West –, wenn wir erst auf hoher See wären, würde er mit Vergnügen seine Kabine mit mir tauschen, falls ich nicht zufrieden sein sollte.
    Nach einer solchen Abfuhr war es mir natürlich klar, daß nichts mich je bewegen konnte, von dem Messingbett des Herrn Kapitän Nathaniel West Besitz zu ergreifen. Es war überhaupt meine feste Überzeugung, daß es um so besser für mich sein würde, je weniger ich auf der Reise von ihm sähe. Und mit nicht geringer Freude dachte ich an all die Bücherkisten, die ich mir von New York an Bord hatte schicken lassen; ich war also, Gott sei Dank, auf hoher See nicht auf die Unterhaltung des Herrn Kapitäns angewiesen.
    Ich übergab Wada den winselnden Possum, und während die Matrosen des Schleppers mein Gepäck an Bord schafften, führte mich der Lotse zu Kapitän West, um mich ihm vorzustellen. Gleich auf den ersten Blick stellte ich fest, daß er nicht mehr Seekapitän war als der Lotse Lotse. Ich hatte die Besten seines Berufs, die Kapitäne der Europadampfer, kennengelernt, und er glich ihnen nicht mehr als den befahrenen, barschen Schiffern, von denen ich in Büchern gelesen hatte. Neben ihm stand eine Frau, von deren Gesicht nur wenig zu sehen war. Mit ihrem roten Fuchskragen, in dem sie halb verschwand, wirkte sie wie ein warmer, strahlender Farbenfleck.
    »Du großer Gott!« sagte ich leise zum Lotsen. »Seine Frau… reist die etwa mit?«
    »Es ist seine Tochter«, flüsterte der Lotse. »Ich denke, sie ist gekommen, um ihn abfahren zu sehen. Seine Frau ist seit über einem Jahre tot. Man sagt, daß er deshalb wieder fahren will. Er hatte sich ja schon zur Ruhe gesetzt, wissen Sie.«
    Kapitän West ging mir entgegen. Doch schon ehe unsere ausgestreckten Hände sich berührten, ehe sein ruhiges Gesicht sich zu einem lächelnden Gruß verzog und seine Lippen sich öffneten, um zu sprechen, erhielt ich den ersten überraschend starken Eindruck von seiner Persönlichkeit. Hochgewachsen, schlank, mit rassigem Gesicht, erschien er mir ebenso kühl, wie der Tag es war. Selbstsicher wie ein König oder Kaiser. Fern und fremd wie der fernste Stern. Und dann glomm in seinen Augen der Funke einer unnahbaren und wohlwollend-kühlen Freundlichkeit auf und verlieh den vielen feinen Runzeln um die Augenwinkel Leben. Das klare Blau seiner Augen nahm einen warmen Ton an, der sie tief und reich machte; die schmalen Lippen, die soeben noch fest verkniffen waren, schienen jetzt anmutig und mild.
    So seltsam war der Eindruck, den Kapitän West bei dieser ersten Begegnung auf mich machte, daß ich mich über der Erwartung ertappte, Worte
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