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Metro 2034

Metro 2034

Titel: Metro 2034
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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Diese Feuerstellungen waren jedoch nicht besetzt, und die kargen, quadratisch geschnittenen Säulen waren mit einer dicken Staubschicht überzogen. Alles war so angelegt, dass ein Unbefugter, der hier vorbeikam, denken musste, die Station sei vor langem verlassen worden.
    Kam es jedoch dem ungebetenen Gast in den Sinn, auch nur kurz zu verweilen, so riskierte er für immer hier zu bleiben. Dann besetzten MG-Mannschaften und Scharfschützen, die rund um die Uhr an der benachbarten Kachowskaja ihren Dienst taten, in Sekundenschnelle die Gefechtsstände, und anstelle der schwachen Lampen an der Decke flammten Quecksilberscheinwerfer auf und versengten die Netzhaut der Eindringlinge, ob Mensch oder Monster, die kein helles Licht gewohnt waren.
    Der Bahnsteig war die letzte, aufs Sorgfältigste geplante Verteidigungslinie der Sewastopoler. Ihre Wohnungen befanden sich im Bauch dieser trügerischen Station -unter dem Bahnsteig. Unter den gewaltigen Granitplatten war, unsichtbar für fremde Augen, ein weiteres Geschoss, nicht weniger breit als die Station darüber, jedoch aufgeteilt in eine Vielzahl einzelner Zellen. Dort befanden sich gut beleuchtete, trockene und warme Wohnräume, gleichmäßig summende Luftfilter und Wasseraufbereitungsanlagen, hydroponische Gewächshäuser. Offenbar fühlten sich die Bewohner der Station nur dann sicher und wohl, wenn sie sich noch tiefer in die Erde zurückzogen.
    Homer war sich bewusst, dass die entscheidende Schlacht nicht im Tunnel auf ihn wartete, sondern zu Hause. Während er sich seinen Weg durch den engen Gang, vorbei an den halb geöffneten Türen der ehemaligen Diensträume bahnte, in denen jetzt die Familien der Sewastopoler untergebracht waren, verlangsamte sich sein Schritt immer mehr. Eigentlich hätte er noch einmal seine Taktik überdenken, seine Antworten durchgehen müssen - doch die Zeit lief ihm davon.
    »Was soll ich denn tun? Befehl ist Befehl. Du weißt doch selbst, wie die Lage ist. Sie haben mich nicht mal gefragt. Stell dich nicht so an - das ist doch lächerlich!Nein, ich hab mich nicht aufgedrängt. Verweigern? Ausgeschlossen. Das wäre Fahnenflucht, begreifst du das?« So murmelte er vor sich hin, mal empört und entschlossen, mal sanft und bittend. An der Schwelle zu seinem Wohnraum angekommen, ging er das Ganze noch einmal durch. Eine Szene war wohl unvermeidlich, aber er würde nicht einknicken. Er setzte einen düsteren Blick auf und drückte kampfbereit die Türklinke.
    Von den neuneinhalb Quadratmetern - einem großen Luxus, auf den er vier ganze Jahre in irgendwelchen Zelten gewartet hatte waren zwei von einer doppelstöckigen Militärpritsche besetzt, einer von einem hübsch gedeckten Esstisch und drei weitere von einem riesigen, bis an die Decke reichenden Stapel Zeitungen. Wäre er ein alter Junggeselle gewesen, so hätte ihn dieser Berg längst unter sich begraben. Doch vor fünfzehn Jahren hatte er Jelena kennengelernt, die nicht nur all das staubige Altpapier in ihrer winzigen Unterkunft duldete, sondern es sogar noch sorgfältig zurechtrückte und so verhinderte, dass ihr heimischer Herd zu einem papierenen Pompeji wurde.
    Überhaupt ertrug sie so manches. Die endlosen alarmierenden Zeitungsausschnitte mit Titeln wie »Rüstungswettlauf spitzt sich zu«, »Amerikaner testen neue Raketenabwehr«, »Unser Nuklearschild wächst«, »Abmahnung für den Frieden« und »Geduldsfaden gerissen«, mit denen die Wände des Kämmerchens von oben bis unten wie mit einer Tapete beklebt waren; sein nächtliches Wachen über einem Haufen von Schulheften, einen zerkauten Kugelschreiber in der Hand, bei elektrischem Licht -von Kerzen konnte bei dieser Menge Papier im Haus keine Rede sein; seinen scherzhaftnärrischen Beinamen, den er selbst mit Stolz trug, den die anderen jedoch mit herablassendem Grinsen aussprachen.
    So manches erduldete sie, aber nicht alles. Weder seinen jugendlichen Überschwang, der ihn jedes Mal mitten ins Epizentrum irgendeines Orkans trieb, nur um zu sehen, wie es dort aussah - und das mit fast sechzig Jahren!Noch den Leichtsinn, mit dem er jegliche Aufträge der Obrigkeit annahm, ohne daran zu denken, dass er nach einer der letzten Expeditionen beinahe nicht mehr aus dem Jenseits zurückgekommen wäre.
    Nicht auszudenken, wenn sie ihn verlor und wieder allein leben musste.
    Wenn Homer einmal pro Woche auf Wache ging, blieb sie nie zu Hause sitzen. Sie floh vor ihren sorgenvollen Gedanken zu den Nachbarn oder ging zur Arbeit, selbst
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