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Messewalzer

Messewalzer

Titel: Messewalzer
Autoren: Andreas Stammkötter
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Moment inne. Er wollte noch anfügen, dass sicherlich alle wüssten, was von derartigen Zeugenaussagen zu halten sei, verkniff sich aber die Bemerkung, weil er seine schlimmsten Befürchtungen nicht noch untermauern wollte.
    Der Staatsanwalt nahm sein Handy in die Hand. »Ich werde veranlassen, dass sofort alle verfügbaren Kräfte eingesetzt werden. Wir werden Taucher in den See schicken, Hubschrauber bis zum nächsten Morgen suchen lassen, die Hundestaffel muss her und die Kollegen sollen jeden Bürger aus Markkleeberg und, wenn es sein muss, den umliegenden Orten befragen. Wir dürfen jetzt nichts unversucht lassen. Haben wir ein Foto von dem Mädchen?«
    Wiggins nickte.
    »Also, meine Herren! An die Arbeit!«
    Kroll wandte sich an seinen Partner. »Ich geh schnell duschen. Wir treffen uns im Büro.«

    Bernd Vogelsang lag auf der Intensivstation des Krankenhauses und starrte an die Decke. Er hatte starke Schmerzen in der Brust. In wenigen Minuten würden sie ihn in den Operationssaal schieben. Ob er dort wieder lebend herauskommen würde und wenn, in welchem Zustand er sich dann befand, war völlig offen. Das hatten ihm die Ärzte bereits in dem Aufklärungsgespräch gesagt. Zwei Bypässe müssten gelegt werden. Nicht gerade eine Kleinigkeit in seinem Alter.
    Er begann, über sein Leben nachzudenken. Seine Kindheit, seine Jugend, seine Schule, seinen Beruf, die DDR, die Wiedervereinigung, das neue Leben nach der Wende, sein Aufstieg, sein Fall, seine Krankheit und sein baldiges Ende.
    Was hatte er nur falsch gemacht? Natürlich wäre es im Nachhinein klüger gewesen, sich nicht mit der Stasi einzulassen. Aber hatte er damals überhaupt eine Wahl gehabt, hatte es eine ernsthafte Alternative gegeben? Natürlich gab es immer andere Möglichkeiten, sich zu entscheiden. Aber was wären die Konsequenzen gewesen?
    Warum nur musste dieser Autor in seiner Vergangenheit rumwühlen? Ausgerechnet der Lachmann, in dessen Haus er die letzten Tage seines Lebens verbringen wollte. Der hatte wirklich gründlich gearbeitet. Hatte mehr herausbekommen als alle Behörden zusammen, die ihn natürlich unter die Lupe genommen hatten. Wie hatte das nur passieren können?
    Aber eigentlich hatte das ganze Unheil viel früher begonnen. Er hätte sich nicht mit diesem ganzen Gesindel einlassen sollen. Vogelsang traten Tränen in die Augen. Es war schon verrückt. Diese eine dumme Geschichte mit dem Fußballer hatte sein ganzes Leben versaut. Danach gab es nur noch Lügen, Lügen und nochmals Lügen. Eine zweite Lüge, um die Lüge davor zu vertuschen. Aber irgendwann reichten die Lügen nicht mehr. Es war nicht mehr mit Worten getan. Taten mussten folgen. Und diese zogen wieder Taten nach sich.
    Er konnte es sich nicht richtig erklären, aber irgendwie machte sich bei ihm ein Gefühl der Erleichterung breit. Jetzt war die Zeit der Lügen endlich vorbei. Gerne hätte er bereits vorher reinen Tisch gemacht. Aber die Chance hatte man ihm ja auch nicht gegeben. Verdammter Teufelskreis.

    Die Kommissare saßen an ihren Schreibtischen und warteten. Sie warteten auf ein Zeichen, auf den erlösenden Anruf, auf irgendeine neue Information. Inzwischen war die Dämmerung angebrochen und die Taucher hatten ihre Suche aufgeben müssen. Bis dahin hatten sie nichts gefunden. Das war zumindest schon mal ein gutes Zeichen.
    Kroll war unruhig. Er trommelte mit dem Bleistift auf den Tisch, lief im Raum auf und ab oder raufte sich die Haare. »Haben wir etwas falsch gemacht, Wiggins? Vielleicht war es ein Fehler, Goran diesen Hubschrauber zu geben!«
    »Was hätten wir denn sonst tun sollen in dieser Situation? Nicht auf seine Forderungen eingehen? Das wäre doch unverantwortlich gewesen!«
    Kroll rieb sich die Augen. »Diese verdammte Warterei! Wie schrecklich muss das für die Eltern sein.« »Die Psychologen sind noch bei ihnen.« »Das wird jetzt auch nicht viel nützen.« Er trat mit
    dem Fuß vor den Schreibtisch. »Können wir denn gar nichts tun?«»Wir können nur hier sitzen bleiben und warten«, stöhnte Wiggins.
    Kroll stand auf und ging zum Fenster. »Ich habe den Eltern versprochen, dass ich ihnen das Kind zurückbringe!«
    Wiggins überlegte einen Moment. Auf Krolls letzte Bemerkung hatte auch er nicht die passende Antwort parat. »Irgendwie habe ich das Gefühl, dass das Mädchen noch lebt. Was soll denn sonst aus dem Hubschrauber herausgefallen sein? Der wirft doch keinen Ballast ab.«
    Kroll zuckte mit den Achseln.
    Staatsanwalt Reis kam
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