Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
MERS

MERS

Titel: MERS
Autoren: D.G. Compton
Vom Netzwerk:
gestrichen,
L-förmig. Eine breite, erhöhte Veranda füllt das L
aus. Die Fenster im Obergeschoß sind tief unter das Dachgesims
und die verschnörkelten Giebelbretter gesetzt. In jenem Oktober
hatten wir gerade die Fensterläden frisch gestrichen und die
Sturmschilde rund um die Veranda gesetzt. Wir waren bereit für
den Schnee. Das Haus steht auf einem niedrigen, grasbedeckten
Hügel und ist vor seinen Nachbarn durch ausgewachsene Fichten
und Silberbirken geschützt, und es hat eine Doppelgarage, Relikt
aus den ölreichen Jahren. Zur damaligen Zeit stand ein einziger,
kleiner Saab-Honda darin. Wir waren berufstätig, Mark und ich,
und hatten uns gut herausgemacht. Wenn ich irgendein Verlangen danach
verspüre, mich für das Haus und die erstklassige Gegend zu
entschuldigen, dann wegen der Gegend. Sie ist zu fein. Es gibt keine
Sicherheitsabschirmungen wie in manchen Gegenden, aber es hätte
sehr wohl welche geben können, berücksichtigt man die
Anzahl von Kontakten, welche die meisten von uns mit Lebewesen aus
Fleisch und Blut haben. Es gefiel mir nicht, Anna so abgehoben
großzuziehen, und Mark auch nicht, aber wir wollten sie auch
nicht in der wirklichen, bösen Welt des
Bevölkerungsrückgangs großziehen.
    Ich lief die Stufen zur Veranda hinauf, die Eurocard in der Hand.
Ich hatte das Institut noch nicht wegen meiner ungenutzten
Computerzeit angerufen, und ich mußte die Sache mit meiner
Programmdirektorin besprechen. Natalya Volkov war wegen ihrer
Erfahrung auf dem Gebiet der Geburtshilfe bei mir, eine große,
vernünftige Frau aus der russischen Föderation, aber sie
hatte ein Geschick in der statistischen Analysis gezeigt, das sie
doppelt wertvoll machte. Vielleicht arbeitete sie gerade an einer
Sache, so daß sie das übernehmen und nutzen konnte, was
von meiner Zeit am Zentralrechner noch übrig war.
    Yvette räumte gerade die Küche auf, und Anna war oben,
wusch sich die Haare. Beide würden ausgehen. Yvette zum Essen in
die Stadt mit ihrem neuesten, ältlichen Freund, und Anna zu
einem Mädchen gleich die Straße hinauf – sie und
Jessica machten zusammen ihre Hausaufgaben für Physik. Jessicas
Vater war ein britischer Psycho-Engineerer, mit dem wir uns
gelegentlich auf Dinner-Parties trafen. Mark war noch nicht
daheim.
    Ich rief Natya an, und wir machten etwas fest. Ich erinnere mich
nicht an Einzelheiten, und es spielt auch keine Rolle. Die
Geschehnisse am späteren Abend jenes Tags waren so unerwartet
und so entsetzlich, daß ich mich nur sehr undeutlich an die
Zeit unmittelbar davor erinnere. Eine Weile lang spielte ich Klavier,
um abzuschalten, dann kam Anna herunter, und wir setzten uns und
besprachen die üblichen Dinge, und ich dachte, wie
ungewöhnlich schön sie an jenem Abend war. Ihr Vater war
Schwarzer gewesen, und sie hatte seine glänzenden dunklen Augen
und meine nordische Knochenstruktur geerbt: ihre golden schimmernde
Haut strotzte vor Gesundheit, und ihr frischgewaschenes Haar hatte
von uns beiden das Beste erhalten und fiel in blauschwarzen,
glänzenden Wellen bis auf die Schultern. Ich weiß, ich
brüste mich anscheinend mit meiner Tochter, als ob ich für
alles verantwortlich wäre, aber dazu hatte ich zu lange auf dem
Gebiet der Genetik gearbeitet. Es ist kein Stolz, es ist eher eine
Feier – das Entzücken einer Lotteriegewinnerin, die ihr
Glück einfach nicht zu fassen vermag.
    Also sprachen wir miteinander, und ich dachte, wie schön sie
an jenem Abend war, und Elvis kam auf seine imposante Weise herein
und machte es sich auf ihrem Schoß gemütlich – ein
schrecklicher Name für eine Katze, aber Anna hatte mit sieben
Jahren diese Wahl getroffen; da machten die Videofirmen gerade
Reklame für Presleys Jahrgang – und dann war es für
sie an der Zeit, sich auf den Weg zu ihrer Freundin hinauf zu
machen.
    Wir wissen erstaunlich viel über die Generationen unmittelbar
vor uns, bis hin zu Presleys Generation und noch weiter zurück.
Hundert Jahre ihres Lebens, manchmal minutiös bis ins Detail.
Ihre Rituale waren bewahrt, ihre Ängste offenbart, ihre
Ambitionen bloßgelegt. Wie traurig, daß ihre Erfahrung
für uns so wenig von Nutzen ist!
    Aber ich drücke mich vor dem, was als nächstes geschah.
Ich fürchte mich davor, und ich drücke mich davor. Als
nächstes geschah, daß Yvette in die Stadt fuhr, Anna die
Straße hinauf zu ihrer Freundin ging, ich das Abendessen zu mir
nahm, das im Ofen auf mich wartete und die Glocke am Vordereingang
ertönte. Und als ich durch den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher