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Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah

Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah

Titel: Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah
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starren, an der er sie
gesehen hatte.
    Jennifer war natürlich verschwunden. Wie ein
Gespenst in einem alten Cartoon.
    Ohne auf den Schmerz zu achten, stützte er sich
an der Bank ab, um auf die Füße zu kommen und das Gleichgewicht zu halten,
dann tappte er vorsichtig zum Ende der Veranda. Blinzelnd spähte er in den
Wald, der an seinen Garten angrenzte, auf der Suche nach einem Beweis dafür,
dass sie dort hinten gestanden und ihn herausfordernd angestarrt hatte. Ihn
zum Narren gehalten hatte. Ihn glauben gemacht hatte, dass er langsam den
Verstand verlor. Im Wald bewegte sich nichts. Keine Frau versteckte sich in den
tiefen Schatten.
    Kein plötzliches Absinken der Temperatur deutete
darauf hin, dass er von einem Geist heimgesucht wurde. Außerdem war Jennifer
tot. Begraben auf einem Friedhof in Kalifornien, so wahr er Rick Bentz hieß.
Hatte er sie nicht selbst vor über zwölf Jahren identifiziert? Sie war bei dem
Autounfall schrecklich zugerichtet worden und kaum zu erkennen gewesen, doch
bei der Frau hinter dem Steuer hatte es sich eindeutig um seine schöne,
durchtriebene erste Frau gehandelt.
    Eine Wolke schob sich vor die Sonne. Hoch oben
am Himmel waren Kondensstreifen zu erkennen, die die unendliche blaue Weite
durchschnitten.
    Warum war sie gerade jetzt zurückgekommen -
zumindest in seiner Fantasie? Lag das am Koma? Er hatte zwei Wochen bewusstlos
im Krankenhaus gelegen und erinnerte sich an nichts aus dieser Zeit.
    Als er schließlich aus dem Koma erwacht war,
hatte er wie durch einen Schleier ihr Bild vor sich gesehen. Ein kalter Luftzug
war über seine Haut gestrichen, und er hatte den schweren Duft ihres Parfüms
wahrgenommen, den vertrauten Geruch nach Gardenien. Dann hatte er sie flüchtig
in der Tür stehen sehen, das gedämpfte Licht des Flurs im Rücken. Sie hatte
ihm einen Luftkuss zugehaucht und so echt gewirkt, als wäre sie tatsächlich
noch am Leben. Was sie natürlich nicht war. Und trotzdem ...
    Als er jetzt über den bewaldeten bayou blickte, wo die Schatten
immer länger wurden und der dumpfige Geruch des träge fließenden Wassers von
den Zypressen und Pappeln gefiltert wurde, kamen ihm im Nachhinein Zweifel an
dem, was er bislang für eine unumstößliche Tatsache gehalten hatte - und er
zweifelte an seinem Verstand. Konnte das an den Tabletten liegen, die er nach
seinem Unfall genommen hatte, wie seine Tochter - ihre Tochter - behauptete?
Oder wurde er schlicht und einfach verrückt? »Mist.« Er starrte ins Gehölz.
Keine Jennifer. Natürlich nicht.
    Jennifer existierte nur in seiner Fantasie,
hervorgerufen vermutlich durch den fast zwei Wochen andauernden Schwebezustand
zwischen Leben und Tod. »Reiß dich zusammen«, sagte er zu sich selbst. Jetzt
hätte er eine Zigarette gebrauchen können. Er hatte schon vor Jahren mit dem
Rauchen aufgehört, doch in Stresssituationen ging nichts über den Kick des sich
in seinen Lungen ausbreitenden Nikotins, um einen klaren Kopf zu bekommen und
die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ein Hund kläffte. Bentz hörte, wie
sich mit einem Klacken die Hundetür öffnete, gefolgt vom Scharren winziger Pfo ten,
die mit hoher Geschwindigkeit über die Steinplatten sausten, und von schrillem
Gejaule. Harry S., der Terrier seiner Frau Olivia, flitzte über die Veranda und
jagte ein laut keckerndes Eichhörnchen den rauhen Stamm einer Kiefer hinauf. Harry
S., der seinen Namen zu Ehren von Harry S. Truman, dem Lieblingspräsidenten von
Olivias Großmutter, erhalten hatte, war außer sich. Er jaulte und bellte den
Baumstamm an. Sein geflecktes Fell sträubte sich, als ihn das Eichhörnchen von
einem sicheren Ast aus verspottete.
    Bentz runzelte die Stirn. »Sei still, Harry!«
Ihm stand jetzt nicht der Sinn nach Harrys Gekläffe, sein Kopf fing an zu
pochen, und sein Stolz war durch den Sturz schwer angeknackst.
    »Was zum Teufel machst du da?«, ertönte
plötzlich Montoyas Stimme hinter ihm, und er wäre beinahe erneut ins
Straucheln geraten.
    »Ich gehe ohne meine verdammte Krücke, wonach
sieht das denn sonst aus?«
    »Es sieht aus, als wärst du auf die Fresse
gefallen.« Bentz drehte sich um und sah seinen Partner durch das Gartentor an
der Seite eintreten. Mit der nervtötenden Geschmeidigkeit eines Sumpfluchses
kam Montoya über die Steinplatten auf ihn zu. Um die Schmach der eigenen Unbeweglichkeit
noch zu steigern, ließ Olivias rauflustiger Kläffer von dem Eichhörnchen ab
und umkreiste temporeich Montoyas Beine, so dass Bentz in aller Ruhe
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