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Menschenjagd

Menschenjagd

Titel: Menschenjagd
Autoren: Stephen King
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andere mit einem schier unergründlichen Schatz schmutziger Witze unterhielt.
    Als die Gruppe vollständig versammelt war, wurden sie wieder in einen Fahrstuhl geschoben und in den vierten Stock hinaufgebracht. Ihr Nachtquartier bestand aus einem großen Gemeinschaftsraum, einem gemeinsamen Waschsaal und der üblichen Schlaffabrik mit den Feldbettreihen. Man sagte ihnen, dass es um sieben ein warmes Abendessen in der Kantine am Ende des Flurs geben würde.
    Richards setzte sich ein paar Minuten hin. Dann stand er wieder auf und ging zu dem Cop, der neben der Tür saß, durch die sie gekommen waren. »Gibt es hier irgendwo ein Telefon, Kumpel?« Er hatte eigentlich nicht erwartet, dass sie nach draußen telefonieren dürften, doch der Polizist zeigte bloß mit dem Daumen hinter sich.
    Richards schob die Tür einen Spalt breit auf und spähte auf den Gang. Tatsächlich, da hing ein Münztelefon.
    Er sah wieder zu dem Polizisten hinüber. »Hören Sie, wenn Sie mir fünfzig Cent leihen würden, könnte ich …«
    »Verpiss dich, Jack.«
    Richards unterdrückte seine Wut. »Ich möchte meine Frau anrufen. Unsere Tochter ist krank. Um Himmels willen, versetzen Sie sich doch in meine Lage!«
    Der Cop lachte: ein kurzes, abgehacktes, hässliches Geräusch. »Ihr seid doch alle gleich. Für jeden Tag des Jahres eine Geschichte. Und am Muttertag und zu Weihnachten in Technicolor und 3-D.«
    »Du Scheißkerl!«, sagte Richards, und irgendetwas in seinem Blick und in der Art, wie seine Schultern sich spannten, sorgte dafür, dass der Cop unvermittelt seinen Blick an die Wand richtete. »Bist du nicht auch verheiratet? Warst du noch nie in der Klemme und musstest dir Geld borgen, auch wenn es dir gewaltig gestunken hat?«
    Der Cop stieß abrupt seine Hand in die Hosentasche und zog eine Faust voll Plastikmünzen wieder heraus. Er warf Richards zwei neue Vierteldollar zu und stopfte den Rest wieder in seine Tasche. Dann packte er Richards am Kragen. »Wenn du auch nur einem erzählst, dass Charlie Grady ein Weichei ist, dann prügel ich dir das beschissene Hirn aus dem Schädel, du Made.«
    »Danke«, erwiderte Richards ruhig. »Fürs Leihen.«
    Charlie Grady lachte und ließ ihn los. Richards ging auf den Flur hinaus, nahm den Hörer ab und warf die beiden Münzen in den Schlitz. Er hörte sie klappernd hinunterfallen. Einen Moment lang passierte gar nichts – o Herrgott, alles umsonst -, doch dann hörte er das Freizeichen. Langsam wählte er die Nummer ihres Sammeltelefons auf dem Flur des fünften Stocks und betete, dass nicht diese Jenner-Hexe rangehen würde. Sie würde es fertigbringen, falsch verbunden zu schreien und sofort wieder aufzulegen, wenn sie seine Stimme erkannte, und dann wäre das Geld weg.
    Es läutete sechsmal, und dann sagte eine unbekannte Stimme: »Hallo?«
    »Ich möchte Sheila Richards sprechen. Wohnung 5 C.«
    »Ich glaube, sie ist gerade rausgegangen«, sagte die Stimme. Sie klang jetzt anzüglich. »Sie spaziert immer um den Block, müssen Sie wissen. Sie haben ein krankes Kind. Mit dem Mann ist nicht viel los.«
    »Klopfen Sie einfach an die Tür«, sagte Richards so freundlich er konnte.
    »Einen Augenblick.«
    Der Hörer am anderen Ende schlug gegen die Wand, als die Person am anderen Ende ihn losließ. Ganz weit weg, wie im Traum, hörte er ein Klopfen und die unbekannte Stimme rufen, »Telefon! Telefon für Sie, Missus Richards!«
    Eine halbe Minute später war die Stimme wieder am Hörer. »Sie ist nicht da. Ich kann das Kind schreien hören, aber sie ist nicht zu Hause. Wie ich schon sagte, wenn die Flotte einläuft, tummeln sich die Mädchen im Hafen.« Die Stimme kicherte.
    Richards wünschte, er könnte sich durch die Telefonschnur teleportieren und am anderen Ende wie ein böser Flaschengeist aus dem Hörer springen, um den Besitzer der fremden Stimme so lange zu würgen, bis ihm die Augen aus den Höhlen traten und auf den Boden kugelten.
    »Schreiben Sie ihr eine Nachricht auf«, sagte er. »Schreiben Sie sie an die Wand, wenn’s sein muss.«
    »Ich habe nichts zum Schreiben bei mir. Ich lege jetzt auf. Wiedersehen.«
    »Warten Sie!«, brüllte Richards panisch.
    »Ich bin … oh, einen Moment«, sagte die Stimme widerwillig. »Sie kommt gerade die Treppe hoch.«
    Richards lehnte sich schwitzend an die Wand. Einen Augenblick später hatte er Sheilas Stimme im Ohr, fragend, müde und ein wenig ängstlich: »Hallo?«
    »Sheila.« Er schloss die Augen und lehnte sich zurück, suchte Halt
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