Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Menschenjagd

Menschenjagd

Titel: Menschenjagd
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
seinem Kopf waren mehrere Elektroden angebracht worden, die Drähte vom Kopf und vom Arm waren in einem elektrischen Messpult neben dem Arzt eingeklinkt. Über den Computerbildschirm liefen gleichmäßig gezackte Linien.
    »Zwei Negerinnen, die sich küssen.«
    Der Arzt zeigte ihm das nächste Bild. »Und hier?«
    »Ein Sportwagen. Sieht wie ein Jaguar aus.«
    »Gefallen Ihnen die alten Benziner?«
    Richards zuckte die Achseln. »Ich hatte als Kind eine Spielzeugauto-Sammlung.«
    Der Arzt machte sich eine Notiz und legte ihm das nächste Blatt vor.
    »Eine kranke Frau. Sie liegt auf der Seite. Die Schatten auf ihrem Gesicht sehen wie die Gitterstäbe einer Gefängniszelle aus.«
    »Und dieses letzte hier?«
    Richards brach in Lachen aus. »Sieht aus wie ein Scheißhaufen.« Er stellte sich vor, wie der Doktor in seinem weißen Kittel unter der Tribüne im Stadion herumlungerte, den Mädchen unter die Röcke schaute und sich dabei einen runterholte, und er musste wieder lachen. Der Arzt lächelte sein unangenehmes Lächeln und vervollständigte dadurch das Bild, machte es noch komischer. Schließlich flaute sein Lachanfall zu einem Kichern, dann zu einem Schnauben ab. Nach einem abschließenden Schluckauf war er still.
    »Ich nehme nicht an, dass Sie mir erklären würden …«
    »Nein«, sagte Richards, »das würde ich nicht.«
    »Gut, dann machen wir weiter. Wortassoziationen.« Er hielt sich nicht damit auf, den Test zu erklären. Richards nahm an, dass man den Arzt über ihn informiert hatte. Das war gut so; es sparte Zeit.
    »Fertig?«
    »Ja.«
    Der Arzt holte eine Stoppuhr aus seiner inneren Brusttasche, drückte auf die Mine seines Kugelschreibers und betrachtete die Liste, die vor ihm lag.
    »Arzt.«
    »Nigger«, antwortete Richards.
    »Penis.«
    »Schwanz.«
    »Rot.«
    »Schwarz.«
    »Silber.«
    »Dolch.«
    »Gewehr.«
    »Mord.«
    »Gewinn.«
    »Geld.«
    »Sex.«
    »Tests.«
    »Schlag.«
    »Aus.«
    Die Liste setzte sich fort, sie gingen über fünfzig Begriffe durch, bevor der Arzt auf die Stoppuhr drückte und den Kugelschreiber fallen ließ.
    »Gut«, sagte er und faltete die Hände. Er sah Richards ernst an. »Jetzt habe ich noch eine letzte Frage an Sie, Ben. Ich kann nicht behaupten, dass ich eine Lüge auf Anhieb durchschauen würde, aber diese Maschine da, an die Sie angeschlossen sind, wird uns einen sehr guten Anhaltspunkt geben, in die eine oder in die andere Richtung. Also, haben Sie beschlossen, sich für die Spiele zu qualifizieren, weil Sie sich mit Selbstmordgedanken tragen?«
    »Nein.«
    »Aus welchem Grund tun Sie’s?«
    »Meine kleine Tochter ist krank. Sie braucht einen Arzt. Medikamente. Ein Krankenhaus.«
    Der Kugelschreiber kratzte über das Papier. »Noch andere Gründe?«
    Fast hätte er nein gesagt (das ging sie schließlich nichts an), aber dann beschloss er, seine Karten offen auf den Tisch zu legen. Sie sollten alles wissen. Vielleicht lag es daran, dass der Arzt ihn an den beinahe vergessenen versauten Jungen aus seiner Kindheit erinnerte. Vielleicht auch daran, dass es einmal gesagt werden musste. Damit die Dinge zusammenpassten, Gestalt annahmen, so wie es der Fall ist, wenn ein Mann sich dazu zwingt, seine vagen emotionalen Reaktionen in Worte zu fassen und auszusprechen.
    »Ich habe schon seit langem keine Arbeit mehr. Ich möchte arbeiten, auch wenn es nur darum geht, den Trottel in einem abgekarteten Spiel abzugeben. Ich will arbeiten und meine Familie ernähren. Ich habe Stolz. Haben Sie auch Stolz, Doktor?«
    »Er kommt bekanntlich vor dem Fall«, sagte der Arzt und drückte die Mine seines Kugelschreibers wieder hinein. »Wenn Sie nichts mehr hinzuzufügen haben, Mr. Richards …« Er stand auf. Damit, und indem er wieder Richards Nachnamen gebrauchte, signalisierte er offenbar, dass die Unterhaltung beendet war, egal ob Richards noch etwas zu sagen hatte oder nicht.
    »Nein.«
    »Die Tür ist am Ende des Gangs rechts. Viel Glück.«
    »Aber sicher«, sagte Richards.

… Minus 090 Countdown läuft …
     
    Richards’ Gruppe war mittlerweile auf vier zusammengeschrumpft. Der nächste Warteraum war viel kleiner, und die ganze Gruppe war im Schnitt um sechzig Prozent reduziert worden. Gegen halb fünf trudelten die letzten Ypsilons und Zs herein. Um vier war ein Angestellter mit Tabletts voller geschmackloser Sandwiches herumgegangen. Richards hatte sich zwei genommen und sie hinuntergeschlungen, während er einem Burschen namens Rettenmund zuhörte, der ihn und ein paar
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher