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Menschenhafen

Menschenhafen

Titel: Menschenhafen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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Es wäre sinnlos gewesen, mit ihnen mithalten zu wollen, das konnte nur peinlich werden. Man sollte dasitzen, den Mund vor Staunen nicht mehr zubekommen und versuchen, an den richtigen Stellen zu lachen. So war es eben.
    Anders und Cecilia waren keine Freaks. Sie waren keine Außenseiter wie Henrik und Björn, oder Hubba und Bubba, wie sie genannt wurden, gehörten aber auch nicht zu denjenigen in ihrer Clique, die die Spielregeln bestimmten und entschieden, welche Insiderwitze komisch waren.
    Wenn Anders und Cecilia Händchen haltend herumliefen, war das einfach nur lächerlich. Das wussten sie. Anders war klein, fast schon hager, seine braunen Haare waren zu dünn, um eine Frisur daraus zu machen, und er begriff nicht, wie Martin und Joel es anstellten. Er hatte versucht, seine Haare mit Gel zurückzustreichen, aber das sah bescheuert aus, und er hatte das Gel wieder ausgespült, noch ehe er sich jemandem gezeigt hatte.
    Cecilia hatte etwas Plattes an sich. Ihr Körper war knochig und ihre Schultern breit, obwohl sie schlank war. Fast keine Hüften und kaum Busen. Ihr Gesicht wirkte zwischen den breiten Schultern klein. Sie hatte blonde, halblange Haare und eine ungewöhnlich kleine, mit Sommersprossen übersäte Nase. Wenn sie ihre Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte, fand Anders sie unglaublich süß. Ihre blauen Augen sahen immer ein klein wenig traurig aus, und das gefiel Anders. Sie sah aus, als wüsste sie.
    Martin und Joel wussten nicht. Malin und Elin wussten nicht. Sie hatten das nötige Gespür, sagten die richtigen Sachen und konnten Sandalen tragen, ohne dass es dämlich aussah. Aber sie wussten nicht. Sie machten einfach. Sandra las Bücher und war clever, aber nichts in ihren Augen sagte, dass sie wusste.
    Cecilia wusste, und weil Anders das sehen konnte, hieß dies, dass auch er wusste. Sie erkannten einander. Er konnte nicht in Worte fassen, was sie wussten, aber irgendetwas war es. Etwas über das Leben, wie alles zusammenhing.
    Als sie zum Findling hinaufgingen, wurde der Weg steiler, es gab immer weniger Fichten. In einer Minute würden sie einander loslassen müssen, um klettern zu können.
    Anders schielte zu Cecilia hinüber. Sie trug ein gelb-weiß gestreiftes T-Shirt mit einem weiten Ausschnitt, der ihre Schlüsselbeine entblößte. Es war wirklich unglaublich, dass sie nun schon fünf Minuten mit ihm verbunden und ihre Haut an seiner gewesen war.
    Dass sie zu ihm gehört hatte.
    Mittlerweile gehörte sie schon fünf Minuten zu ihm. Bald würden sie loslassen, auseinandergehen und wieder ganz normale Menschen werden. Was würden sie dann sagen?
    Anders blickte nach unten. Der Erdboden wurde allmählich steinig, er musste darauf achten, wohin er seine Füße setzte. Er erwartete jede Sekunde, dass Cecilia loslassen würde, aber sie ließ nicht los. Er dachte, dass er ihre Hand so fest hielt, dass sie nicht loslassen konnte . Der Gedanke war ihm peinlich, weshalb er seinen Griff ein wenig lockerte. Da ließ sie los.
    Die zwei Minuten, die sie benötigten, um auf den Findling hinaufzuklettern, beschäftigte er sich mit der Frage, ob es so war, wie er es sich gedacht hatte, dass er sie zu fest gehalten hatte, oder ob die Tatsache, dass er seinen Griff lockerte, sie zu glauben verleitet hatte, er wolle loslassen, worauf sie als Erste losgelassen hatte.
    Abgesehen davon, was er wusste oder nicht wusste, war er überzeugt, dass Joel und Martin niemals diese Art von Problemen hatten. Verstohlen wischte er seine Hand an der Hose ab. Sie war ein wenig steif und verschwitzt.
    Als sie die Kuppe des Steins erreichten, fühlte sich sein Kopf größer an als sonst, das Blut rauschte in den Ohren, und sein Gesicht war wahrscheinlich rot angelaufen. Er starrte auf seine Brust herab, wo ein kleines Gespenst aus einem Verbotsschild lugte. Ghostbusters . Es war sein Lieblingsshirt und so oft gewaschen worden, dass die Konturen des Gespensts allmählich verwischten.
    »Wie schön das ist.«
    Cecilia stand am Rand des Steinblocks und blickte aufs Meer hinaus. Sie befanden sich über den Wipfeln der Fichten. Tief unter ihnen sah man die Ferienhaussiedlung, in der fast alle ihre Freunde wohnten. Auf dem Meer glitt eine Finnlandfähre dahin, ein Bündel Licht über dem Wasser. Weiter entfernt und weiter draußen gab es andere Inselgruppen, deren Namen Anders nicht kannte.
    Er stellte sich so dicht neben sie, wie er sich traute, und sagte: »Das ist bestimmt das Schönste, was es gibt«, und bereute seine
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