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Menschen wie Götter

Menschen wie Götter

Titel: Menschen wie Götter
Autoren: Sergej Snegow
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einziger verlor seinen Glanz. Die Phasenverschiebung war zwar geringfügig, dennoch flogen wir schon in einer fremden Zeit, flogen einer fremden Zukunft entgegen. Doch das Bild draußen war so, als würde auch diese fremde Zukunft im Kern als eigene aufgefaßt, als wäre die allumschließende Zukunft hier ein normaler physikalischer Prozeß.
    „Arbeiten die Gegenzeitgeneratoren?“ fragte Oshima zweifelnd.
    „Unsere gleichgültigen Götter scheinen zu schweigen. Ob sie uns nicht beobachtet haben?“ murmelte Kamagin.
    „Wenn sie ihre Stimme erheben, hören wir sie nicht“, entgegnete Orlan ernst. „Ihr Strahl vernichtet uns, bevor wir kapieren, daß wir verloren sind.“
    Das war schwer zu bestreiten.
    Nach einer Weile teilte die Schiffsmaschine mit, daß sich das Bild des Sternenchaos verändere, und Grazi stellte als einziger auch visuell Veränderungen in der Umgebung fest. Orlan begab sich zu den Phasenzeitgeneratoren, während Olga und ich zu mir gingen. Mary entdeckte ebenfalls nichts Neues auf dem Bildschirm, die gewöhnlichen Sterne, dieselbe Menge, umherirrend, ungeordnet fliegend ... „Daß wir in der Anderszeit sind, garantiere ich“, sagte Olga. „Und obwohl die Phasenverschiebung unbedeutend ist, wird der Winkel des Flugs aus unserer Zeit größer. Ich erwarte schon bald erhebliche visuelle Veränderungen.“
    „Ich lösche die Bildschirme“, schlug Mary vor.
    „Wir lassen kein Auge von ihnen, doch die Veränderungen sammeln sich allmählich an, und wir gewöhnen uns an die neue Umgebung, ohne zu begreifen, daß sie neu ist.“
    „Die Ramiren schweigen“, wiederholte ich Kamagins Worte, als Mary den Zimmerbildschirm verhüllte.
    „Die Ramiren haben es satt, uns zu verspotten“, erklärte Olga überzeugt. „Wenn sie gleichgültig sind, müssen sie uns ja irgendwann einmal in Ruhe lassen.“
    Ich hoffte ebenfalls, daß die Ramiren aufhören würden, sich mit uns zu befassen, und der Flug in die Anderszeit sie nicht ärgern würde. Entweder hatten die Ramiren unsere Flucht nicht bemerkt, oder wir interessierten sie nicht mehr, oder, auch dieser Gedanke kam mir, ihnen war damit gedient, daß wir uns mit Hilfe der phasischen Zeitkrümmung entfernten.
    All dies mußte überlegt werden - hier war ein Fall, wo die Antwort nicht auf der Hand lag.
    „Ruh dich aus“, sagte Mary, und ich legte mich auf den Diwan.
    Sie weckte mich eine Stunde später. Olga war nicht da. „Schau auf den Bildschirm“, sagte Mary erregt.
    Ich schrie vor Überraschung auf. Wir waren in einer anderen Welt. Nein, das war immer noch derselbe Galaxiskern, dieselbe gleißende und funkelnde Hölle! Aber der Kern war anders, derselbe und doch anders! Das läßt sich mit Worten schwer schildern, das muß man selbst gesehen haben. Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat hatten wir voller Wehmut ein sich ständig reproduzierendes Bild auf den Sternenbildschirmen beobachtet. Im Verlaufe eines winzigen Schiffstages hatte es sich verändert. Ja, das war der Kern, aber der Kern in einer anderen Zeit, nicht in der Vergangenheit, nicht in der Zukunft, sondern einer anderen!
    „Mary, die Ramiren lassen uns hinaus!“ rief ich begeistert. „Es gibt keinen Überfall!“
    Seit jenem Tag ist viel Zeit verstrichen. Vielleicht Stunden, vielleicht Jahrhunderte, und würde man mir sagen, es handele sich um Jahrmillionen, wäre ich nicht verwundert. Die Zeit, in der wir uns bewegen, ist fremd. Die Geräte messen sie, die Schiffsmaschine speichert sie, der Flugschreiber fixiert sie in seinen Bildern, doch ich begreife sie nicht, es ist nicht meine Zeit. Und obwohl Grazi über sie verfügt und Oshima und Kamagin, die einander im Kommandeursaal ablösen, sie genauso leicht kommandieren wie die Aktivstoffreserven in den Laderäumen, indem sie die Krümmung mal vergrößern, mal verringern, begreife ich sie trotzdem nicht. Sie ist nicht meine Zeit. Sie ist fremd. So wird sie ja auch genannt - Anderszeit! Der Kern vereinigt in sich tatsächlich alle mögliche Zukunft, ist real alles Zukünftige, das in jeder möglichen Zukunft anders ist. Aber ich bin nicht allumfassend zukünftig. Das ist nichts für mich, wie Trub gesagt hatte. Die allumfassende Zukunft riecht nach Allgegenwart. Nein, solche Höhen kann ich nicht erreichen. Und unsere Nachkommen, davon bin ich überzeugt, können es ebenfalls nicht. Ich bin in der Lage, die ganze Natur zu verstehen, die ganze Natur zu werden, geht über meine Kraft.
    Ich habe diese Abschweifung gemacht,
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