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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987
Autoren: Leni Riefenstahl
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sagte diese kleine zerbrechliche Person mit fester Stimme. Wir umarmten uns, dann wurde sie von den amerikanischen Soldaten zum Jeep gebracht. Ich habe sie nie mehr gesehen.

    Mein großer Irrtum

    M eine Freiheit dauerte noch nicht einmal einen Monat, dann nahm sie ein jähes Ende. Medenbach teilte mir mit, die Amerikaner würden schon am kommenden Tag aus Tirol abziehen, um den Franzosen die Besatzung hier zu überlassen. Er bat mich, in die amerikanische Zone zu übersiedeln. An diesem Tag habe ich einen der größten Fehler meines Lebens gemacht. Ich konnte mich nicht entschließen, trotz der Warnungen Medenbachs, von Kitzbühel wegzugehen.
      Schuld daran war, daß ich noch immer die fixe Idee hatte, den «Tiefland»-Film fertigstellen zu können. Es wäre nicht möglich gewesen, das ganze Filmmaterial und die technischen Einrichtungen in der kurzen Zeitspanne, die die Franzosen ultimativ festgesetzt hatten, in die amerikanische Zone zu transportieren.
      In Kitzbühel lagerten an die 100 000 Meter Film, und im Haus Seebichl befand sich mein fertiges Tonstudio mit Schneideräumen. Auch fühlte ich mich durch das Dokument des Amerikanischen Hauptquartiers, das mir meine Freiheit garantierte, sicher. Hinzu kam, daß ich meine größten Filmerfolge in Frankreich gehabt und in Paris die meisten Auszeichnungen bekommen hatte. Deshalb erwartete ich die Franzosen nicht mit Angst, im Gegenteil, ich freute mich auf ihr Kommen.
      Major Medenbach war über meine Entscheidung sehr beunruhigt. Er meinte, die Franzosen seien unberechenbar, und er könnte mir, wenn er Tirol verließe, nicht mehr helfen. Wäre ich nur mit ihnen gegangen! Ich stand unter amerikanischem Schutz. Mein großer Irrtum war anzunehmen, die Franzosen würden mich so fair behandeln wie die Amerikaner. Bevor diese Kitzbühel verließen, hoben sie noch die Beschlagnahme des Hauses Seebichl auf. In tadellosem Zustand wurde uns alles übergeben, es fehlte kein einziges Stück. Wir durften wieder in unserem Haus wohnen. Das bedeutete allerdings eine abermalige Trennung von meinem Mann. Major Medenbach nahm ihn als Fahrer mit nach Gastein, um ihn vor einer möglichen Gefangenschaft durch die Franzosen zu schützen.
      Anfangs schien alles gut zu verlaufen. Der Wechsel vollzog sich unauffällig und reibungslos. Anstatt amerikanischer Uniformen und Fahnen sah man französische. Aber schon nach wenigen Tagen besuchten mich einige Franzosen, die sich als Filmoffiziere vorstellten. Sie waren freundlich und erkundigten sich nach dem «Tiefland»-Film. Nichts wies daraufhin, daß ich Schwierigkeiten bekommen würde. Ich erhielt auch eine Einladung des französischen Militär-Gouverneurs von Kitzbühel, Monsieur Jean Reber. Er unterhielt sich längere Zeit mit mir und bot mir seine Hilfe an. Kurze Zeit danach — es waren vielleicht zwei Wochen vergangen — hielt ein französisches Militärfahrzeug vor dem Haus Seebichl. Barsch forderte mich ein Franzose in Uniform auf, mit ihm zu kommen. Ich sollte Waschzeug mitnehmen. Auf meine Frage, was das bedeute und wohin wir fahren, gab er keine Antwort.
    «Beeilen Sie sich», sagte er mißgelaunt in deutscher Sprache.
      «Lassen Sie mich mit dem französischen Gouverneur Reber telefonieren, es muß ein Irrtum vorliegen, ich kann doch nicht schon wieder verhaftet werden.» Ich durfte nicht telefonieren. «Sagen Sie doch wenigstens, wohin ich gebracht werde, damit meine Mutter weiß, wo ich bin», bat ich ihn.
      «Sie werden es schon sehen, los, kommen Sie und fragen Sie nicht so viel.»
      Diesmal spürte ich Angst. Es war so plötzlich gekommen, so unvorbereitet. Das konnte doch nur ein Irrtum sein: Der französische Kommandant hatte mir so warmherzig seine Hilfe angeboten.
      Der Franzose fuhr schnell und verrückt wie ein Wahnsinniger. Als eine ältere Bäuerin über die Straße ging, raste er im Höchsttempo auf sie zu und grinste, als sie im letzten Augenblick erschrocken zur Seite sprang und hinfiel. Beinahe wären auch wir umgekippt. Das Schwein, das die Bäuerin mit sich führte, lief über den Weg und, da der Fahrer nicht mehr bremsen konnte, überfuhr er es.
      In Innsbruck wurde ich Gott sei Dank nicht in ein Gefängnis gebracht, sondern bei einem älteren Ehepaar, das in der Innenstadt wohnte, abgeliefert. Dieses war über mein Kommen schon informiert, aber mehr als ich wußte es auch nicht, nur soviel, daß ich die Wohnung nicht verlassen dürfte, bis ich abgeholt würde. Die Leute waren
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