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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987
Autoren: Leni Riefenstahl
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bewacht, eine Grabstelle besuchen. Diese junge Frau, die wegen ihres einzigartigen fliegerischen Könnens überall bewundert wurde — sie war der erste weibliche Flugkapitän der Welt und Inhaberin vieler Weltrekorde —, hatte nach Kriegsende Furchtbares erlebt. Kurz vor Hitlers Tod vollbrachte sie fliegerisch fast eine Wunderleistung. Ihr Freund, Generaloberst Ritter von Greim, wurde in die Reichskanzlei befohlen. Das war mörderisch. Berlin lag schon im Sperrfeuer der Russen. Aus diesem Grunde lehnte es Greim ab, Hanna Reitsch, die ihn unbedingt begleiten wollte, mitzunehmen. Es gelang ihr aber, sich in der kleinen, zweisitzigen Maschine — einem Fieseler Storch — zu verstecken. Erst während des Fluges entdeckte sie Greim. Als sie durch das russische Sperrfeuer flogen, wurde der General schwer verletzt und ohnmächtig. Hanna Reitsch, die hinter ihm saß, ergriff das Steuer, und sie konnte tatsächlich unter Beschuß auf der Charlottenburger Chaussee landen. Es gelang ihr noch, mit dem verwundeten Greim die Reichskanzlei zu erreichen.
      Nachdem Hitler Greim zum Nachfolger Görings ernannt hatte, zwang er die beiden, die Reichskanzlei wieder zu verlassen. Sie weigerten sich, denn sie wollten wie die anderen mit Hitler sterben. Aber Hitler bestand auf seinem Befehl. Dann gelang Hanna Reitsch das unmöglich Erscheinende, die Maschine inmitten des Artilleriebeschusses zu starten und den verwundeten Greim aus dem eingeschlossenen Berlin hinauszufliegen. Als sie in der Nähe von Kitzbühel gelandet waren, erschoß sich Greim vor ihren Augen. Er war ihr bester Freund gewesen. Kurz danach erfuhr sie von dem schrecklichen Ende ihrer Angehörigen. Ihr Vater, ein überzeugter Nationalsozialist, hatte die ganze Familie mit Gewehrkugeln ausgelöscht und sich dann selbst erschossen.
      Nach diesen Erlebnissen, die nur ein paar Wochen zurücklagen, wunderte es mich, daß sie die Kraft hatte, mir noch weiteres mitzuteilen. Sie holte aus der Tasche einen zerknitterten Brief, gab ihn mir und sagte eindringlich: «Lesen Sie diesen Brief, vielleicht wird er mir abgenommen, und dann gibt es außer mir niemand, der den Inhalt kennt. Er ist von Dr. Goebbels und seiner Frau Magda an ihren Sohn Harald, der sich in amerikanischer Kriegsgefangenschaft befinden soll.» Es waren vier beschriebene Seiten. Die ersten zwei waren von Goebbels, die anderen von Magda geschrieben. Der Inhalt berührte mich peinlich — ich konnte mir nicht vorstellen, daß man in einer solchen Situation, in der sich die Familie Goebbels befand, von «Ehre und Heldentod» schreiben konnte. Der Text war unerträglich pathetisch. Ich hatte den Eindruck, Hanna Reitsch empfand es ebenso.
      Die amerikanischen Soldaten drängten sie, das Gespräch zu beenden. Während der eine sie an der Schulter faßte, sagte sie: «Noch etwas möchte ich Ihnen berichten. Der Führer hat auch Sie er
wähnt. Vor einigen Monaten, als es mir endlich gelungen war, eine Unterredung bei Hitler zu erhalten. Ich mußte ihn sprechen, denn es wurde in unglaublicher Weise gegen mich intrigiert — natürlich von Kollegen, die mir meinen Erfolg mißgönnten. Hitler meinte, daß dies leider das Schicksal vieler Frauen sei, die Außergewöhnliches leisten. Unter einigen Frauen nannte er auch Ihren Namen und sagte: ‹Schauen Sie, Leni Riefenstahl, sie hat auch so viele Feinde. Man sagte mir, daß sie krank ist, aber ich kann ihr nicht helfen. Wenn ich dies tun würde, könnte das ihren Tod bedeuten.›» Bei diesen Worten fiel mir die Warnung Udets ein, der mir schon 1933 kurz nach Beendigung meiner Arbeit für den ersten Parteitagfilm sagte: «Sei vorsichtig, es gibt eine Gruppe in der SA, die dir nach dem Leben trachtet.»
      Noch etwas ist mir von meiner Begegnung mit Hanna Reitsch in Erinnerung geblieben. Sie erzählte, daß sie im Namen einer größeren Gruppe deutscher Kampfflieger Hitler den Vorschlag unterbreitet hatte, sie wollten sich freiwillig auf die englische Flotte stürzen, um die Landung der Alliierten, die später in der Normandie erfolgte, zu verhindern. Hitler habe dies ganz entschieden mit folgenden Worten abgelehnt: «Jeder Mensch, der sein Leben im Kampf für sein Vaterland einsetzt, muß eine Überlebenschance haben, auch, wenn sie gering ist. Wir Deutschen sind keine Japaner, die Kamikaze machen.»
      Wieder ein Widerspruch zu den Grausamkeiten, die während des Krieges verübt wurden. Ich fragte Hanna Reitsch: «Haben Sie das wirklich vorgehabt?»
      «Ja»,
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