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Melina und das Geheimnis aus Stein

Melina und das Geheimnis aus Stein

Titel: Melina und das Geheimnis aus Stein
Autoren: Marlene Röder
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glaube, Will möchte seinen Mantel lieber anlassen. Seine Familie kommt aus Lappland, die … äh … sind daran gewöhnt, immer in dicken Klamotten rumzulaufen. Weil es da ja so kalt ist.“ Mama sieht nicht so aus, als würde sie meine Kenntnisse über Lappland besonders überzeugend finden. „Na, dann kommt mal in die Küche“, sagt sie. „Ihr könnt mir beim Abendessen helfen. Es gibt Nudeln mit dem ganzen Garten.“
    Wir bekommen beide ein Holzbrettchen und ein Messer, mit dem wir Paprikas, Zucchini und Radieschen zu Leibe rücken. Aufmerksam beobachtet Will, wie ich das Gemüse schneide, und macht es mir nach. Plötzlich schreit Will: „Au!“ Er starrt auf seinen Finger. Aus einem Schnitt in der Kuppe quillt ein leuchtend roter Blutstropfen.
    „Ist ein Stein, der bluten kann, überhaupt noch ein Stein?“, flüstert Pippa mir ins Ohr. „Ist er ein Mensch? Oder etwas dazwischen?“ Ich weiß keine Antwort.
    „Oje!“, ruft Mama erschrocken. „Warte, ich hol was zum Verbinden!“ Mit diesen Worten verschwindet sie in Richtung Bad. Will steht immer noch da wie erstarrt, als sie zurückkommt. „Es tut weh“, sagt er erstaunt.
    „Das wird gleich besser“, beruhigt ihn meine Mutter. „Lass mal sehen … Zum Glück ist die Wunde nicht tief.“ Interessiert beobachtet Will, wie sie ein Pflaster auf seinen Finger klebt. „So“, sagt sie und lächelt ihn an. „Jetzt kann es heilen.“
    „Wie heißt das?“, fragt Will und betrachtet nachdenklich das Pflaster an seinem Finger. Pippa und ich stöhnen leise. Typisch Will.
    Aber Mama bleibt gelassen, wahrscheinlich weil sie denkt, dass Will aus Lappland nur das Wort nicht kennt. „Auf Deutsch heißt es Pflaster.“
    „Pflaster“, wiederholt Will andächtig.
    Dann schnippeln wir das Gemüse fertig und zupfen Kräuter. Will schaut gespannt in den Topf mit dem sprudelnden Nudelwasser.
    „In seiner Familie kochen sie nicht viel“, sage ich schnell. „Die … äh … essen immer rohen Fisch.“ Mama zieht die Augenbrauen hoch und lässt Will die Nudeln abschütten.
    Endlich ist das Essen fertig. Ein verführerischer Duft zieht durchs ganze Haus und lockt sogar Paps hinter seinem Computer hervor. Der gedeckte Tisch mit den brennenden Kerzen sieht aus wie ein kleines Fest.
    „Das ist das erste Mal, dass Will etwas isst“, erinnert mich Pippa. „Du musst es ihm vormachen!“ Langsam spieße ich eine Nudel auf meine Gabel, führe sie zum Mund, kaue, schlucke. Wie vorhin beim Gemüseschneiden merke ich, dass Will jede meiner Bewegungen beobachtet. Dann versucht er es selbst. Mit vor Konzentration gerunzelter Stirn balanciert er eine Nudel auf seinen Mund zu. Dabei übersieht er sein Glas und stößt es um. Wasser ergießt sich über den Tisch und schwappt auf Mamas Jeans.
    „Oh, das wollte ich nicht!“, ruft Will erschrocken. „Pflaster!“
    „Ich brauche kein Pflaster, Will“, antwortet Mama verwundert und lacht. Sie lacht ganz schön viel heute. Ich glaube, sie mag ihn. Dann geht sie aus dem Zimmer, um sich eine trockene Jeans anzuziehen.
    Eine Weile ist es still am Tisch. Die Kerzen flackern. Wir essen.
    Paps hat die Gabel sinken lassen und beobachtet, wie Will in Zeitlupentempo jeden Bissen genießt. „Wenn man dich essen sieht, könnte man glauben, du hast noch nie Nudeln gegessen!“
    „Ja“, antwortet Will strahlend. „Es ist so gut!“
    Paps und ich werfen uns über den Tisch einen Blick zu. Dann versuchen wir beide, unsere letzten Nudeln ganz langsam zu essen. Ich schließe die Augen und schmecke die Sonne und den Regen, die das Gemüse zum Wachsen gebracht haben, schmecke die Kräuter, die wir gemeinsam gezupft haben.
    Will hat Recht. Es ist wirklich gut.

    „Soll ich dich nach Hause fahren, Will?“, fragt mein Vater, nachdem wir fertig sind, und klopft sich auf seinen Rettungsspeck. „Dann musst du mich allerdings vorher zum Auto rollen.“
    Beim Gedanken an den Friedhof, auf den er gleich zurückkehren soll, wird Wills Gesicht weiß wie Marmor. „Eigentlich hatten wir ausgemacht, dass Will heute hier übernachten kann“, sage ich schnell. „Er wohnt … außerhalb.“
    „Es ist ziemlich tot da“, ergänzt Will.
    Paps lacht. „Ja, so kommt es einem vor, wenn man als junger Mensch auf dem Land aufwächst!“
    „Na gut, wenn das mit deinen Eltern abgesprochen ist“, murmelt meine Mutter. „Wo bringen wir dich denn am besten unter? In Melinas Zimmer ist zu wenig Platz.“
    „Wir könnten ihm eine Matratze ins Nachbarzimmer
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