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Meine Tiere, mein Leben

Meine Tiere, mein Leben

Titel: Meine Tiere, mein Leben
Autoren: James Herriot
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dann: »Beweg deine Zehen, Jimmy, klatsch in die Hände!« Ich musste lernen zu überleben. Immerhin war ich James Herriots persönlicher Assistent. Ich öffnete Gatter, trug Flaschen oder fing Vieh ein und erlebte mit ihm die raue Landbevölkerung von Yorkshire, die eine solch unerschöpfliche Materialquelle für seine spätere Tätigkeit als Schriftsteller darstellte.
    Jene Anfangsjahre waren hart, aber, wie mein Vater zu sagen pflegte, »sie waren aufregender«, und wenn ich an diese Zeit zurückdenke, ist mir gar nicht kalt; ich spüre die Wärme einer glücklichen Kindheit mit einem wunderbaren Vater.
     
    Kurz nach der Trauerfeier für meinen Vater in der Kathedrale von York wurde ich gefragt, ob ich mir vorstellen könne, seine Biographie zu schreiben. Nachdem ich diese Herausforderung angenommen hatte, beschloss ich, als erstes alle James-Herriot-Bücher noch einmal zu lesen, nicht nur, um mir ein paar Tipps vom Meister zu holen, sondern auch in dem Bemühen, den Gründen für seinen phänomenalen Erfolg nachzugehen. Bald wurde mir allerdings klar, dass der Versuch, sein Werk »unter die Lupe« zu nehmen, reine Zeitverschwendung ist. So las ich die Geschichten noch einmal und erfreute mich an ihnen. Mein Vater hätte nie gewollt, dass sein Werk Gegenstand analytischer Betrachtungen wird. Er wünschte sich schlicht, dass man Spaß hatte an seinen Geschichten, und genau das machen die Bücher deutlich.
    Ein Farmer aus Yorkshire sagte einmal, nachdem er eines der Herriot-Bücher gelesen hatte – was meinen Vater in höchstes Erstaunen versetzte, da er nie erwartet hätte, dass die hiesige Landbevölkerung daran Gefallen finden würde –, das Buch sei »sehr gut, aber da passiert eigentlich gar nichts!«. Ich weiß genau, was er damit sagen wollte. James Herriot besaß die seltene Gabe, Alltägliches in eine spannende Lektüre zu verwandeln, mit einfachen Worten höchste Wirkung zu erzielen. Seine Geschichten kreisen überwiegend um das eine faszinierende Thema, die menschliche Natur, und stammen aus der Feder eines ihrer sorgfältigsten Betrachter. Er beobachtete, er verstand und hielt vor allem die Gedanken eines mitfühlenden, humorvollen Menschen auf Papier fest. James Herriots Geschichten handeln nicht in erster Linie von Tieren, sondern von Menschen.
    Natürlich spielen auch Tiere eine wichtige Rolle. Auf den folgenden Seiten werden Sie zum Beispiel Tricki Woo, den kleinen Pekinesen, kennen lernen, dessen Großzügigkeit wir es verdankten, dass regelmäßig Lieferungen üppiger Fresskörbe für den dankbaren »Onkel Wight« – oder, wie er in den Geschichten heißt, »Onkel Herriot« – angeliefert wurden.
    Der kleine Hund, an den ich mich noch so gut erinnere, war tief betroffen, als sein Lieblingsonkel einmal den kapitalen Schnitzer beging, ihn in einem Dankesbrief mit »Meister Tricki Woo« anzureden, wo doch natürlich die angemessene Anrede »Euer Hochwohlgeboren Tricki Woo« lautete. Zu unser aller Bestürzung versiegte die köstliche Spezialitätenquelle auf der Stelle, doch ein zerknirschter Entschuldigungsbrief an das gedemütigte Tier wurde gnädig aufgenommen, und die Krise war damit beigelegt.
    Tricki Woo, Blossom, die Kuh, die sich weigerte, ihr Zuhause zu verlassen, Herbert, das Waisenlamm mit dem unzähmbaren Lebenswillen, sind Beispiele für James Herriots Gabe, seinen Tierfiguren menschliche Züge zu verleihen. Doch ist allen voran die lebendige und lebensnahe Schilderung von Menschen verantwortlich für seinen Erfolg. Siegfried, Tristan, Calum, Granville Bennett und viele andere sind zu alten Bekannten geworden, und diese so unvergesslichen Gestalten wurden durch die geschickte Erzählkunst des Autors zum Leben erweckt.
    Vor Jahren, als ich noch ein Schuljunge war, fragte mich mein Vater, als ich gerade ein spannendes Taschenbuch las: »Jim, hast du eigentlich schon mal einen der Klassiker gelesen? Charles Dickens? Sir Walter Scott?«
    »Zu viel Beschreibung. Da passiert so wenig«, lautete meine typische Schuljungen-Antwort.
    Mein Vater lachte. »Ich liebe Beschreibungen – wie diese großen Schriftsteller einen ins Bild setzen und in ihre Welt entführen.«
    Als Junge dachte ich darüber nach. Die erneute Lektüre seiner Bücher hat mir nun deutlich gemacht, dass mein Vater eine Menge von diesen berühmten Schriftstellern gelernt haben muss, denn auch er besaß die Gabe, »ein Bild zu malen«. Wenn Sie James Herriots Geschichten lesen, sind Sie bei ihm. Sie werden mit ihm lachen,
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