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Meine Freundin, der Guru und ich

Meine Freundin, der Guru und ich

Titel: Meine Freundin, der Guru und ich
Autoren: William Sutcliffe
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du dich nicht mehr lange drücken.«
    Mit diesen Worten marschierte ich siegesgewiß ab. Gleichzeitig kam ich mir aber schon ein bißchen wie ein ziemlich trauriges Arschloch vor.
     
    Draußen war es irgendwie noch heißer als drinnen.
    Die Straße, in der sich unser Hotel befand, war recht ruhig. Ich lief zurück zur Hauptstraße, wo uns der Flughafenbus abgesetzt hatte. Okay, dachte ich, ich laufe gerade hier in Indien 'ne Straße entlang. Ich hab alles im Griff. Und die Häuser sehen auch ganz anständig aus – also kann das Land nicht so arm sein.
    Daraufhin tauchte hinter mir ein kleines Mädchen auf, das, wie ich zugeben muß, schon eher arm aussah. Sie begann an meinen Ärmeln zu zerren und streckte mir dabei die aufgehaltene andere Hand entgegen.
    Da fiel es mir wieder ein. Ich mußte ja noch Geld wechseln.
    »Nein, tut mir leid«, sagte ich und lief weiter.
    Sie ließ sich nicht beirren.
    »Hey, hör mal – ich hab kein Kleingeld.«
    Sie zerrte noch heftiger an mir rum und begann etwas zu jammern, das ich nicht verstand.
    »KEINE MÜNZEN«, sagte ich und beschleunigte meinen Gang. Obwohl sie jetzt beinahe rennen mußte, hielt sie immer noch mit mir Schritt und tippte mir jedesmal an den Arm, wenn sie in Reichweite war.
    Ich blieb stehen. »JETZT HÖR MAL ZU – KEINE MÜNZEN! ICH BIN AUF DEM WEG ZUR BANK. KEIN GELD.«
    Wir starrten uns gegenseitig an. Sie zuckte mit keiner Wimper, und es war klar, daß sie mich nicht in Ruhe lassen würde, egal, was ich sagte.
    Ich ging so schnell ich konnte weiter, ohne rennen zu müssen, aber sie hielt immer noch mit. Als ich erneut stehenblieb, fing sie wieder an, an meinen Ärmeln zu zerren.
    »Laß mich los«, sagte ich.
    Sie rührte sich nicht.
    »Du sollst mich in Ruhe lassen.«
    Sie starrte mich mit ihren unglücklichen großen Augen an, und ich wünschte mir, ich hätte tatsächlich ein bißchen Geld dabei – einerseits, um sie loszuwerden, aber auch, weil mir ihr Anblick das Gefühl gab, ein widerwärtiger Mensch zu sein. Es war, als sei sie von der Hölle entsandt worden, um mich zu quälen – um mich daran zu erinnern, wie reich ich war und was für ein Glück ich hatte, und daß ich nichts von all dem, was ich besaß, verdient hatte.
    Ich wollte aber nicht daran erinnert werden, wie reich ich war und was für ein Glück ich hatte – zumal ich gerade in diesem Moment das Gefühl hatte, überhaupt kein Glück zu haben: gefangen in diesem abstoßenden, dreckigen, bedrohlichen Land bei dieser unglaublichen Hitze, und festgehalten von einem fünfjährigen Mädchen, das auf mein Geld aus war.
    Wir starrten uns an. Ich versuchte, nicht darüber nachzudenken, was für eine Art Leben dieses Mädchen wohl führen mochte, und bildete mir einen Augenblick lang ein, daß sie sich gerade genauso fragte, was für eine Art Leben ich wohl führen mochte. Ein Bild von zu Hause tauchte vor meinem geistigen Auge auf, und auf der Stelle bekam ich Heimweh und Schuldgefühle.
    »Geh weg«, sagte ich mit schwacher Stimme. Sie bewegte sich nicht. Ich machte ein paar Schritte, und wieder folgte sie mir und zog dabei an meinem Ärmel.
    Erbost drehte ich mich um und schob sie weg – sanft genug, damit sie nicht hintüberfiel, aber fest genug, damit sie ein paar Schritte rückwärts machte. Sie blieb stehen und starrte mich unverwandt an.
    Ich ging weiter, und dieses Mal folgte sie mir nicht.
    Ich versuchte, nicht darüber nachzudenken, was eben passiert war. Das war einfach etwas, an das ich mich würde gewöhnen müssen. Es muß eine Methode geben, sie abzuschütteln. Irgendwie müssen die Inder ja auch damit umgehen. Ich würde es wohl einfach lernen müssen.
    Einen Moment lang war ich ganz aufgeregt bei dieser Vorstellung. Das würde ein Kampf werden! Endlich mal eine richtige Herausforderung. Dann wurde ich wieder mutlos. Die Kiesel in meinem Magen hatten sich zurückgemeldet.
    Mittlerweile war ich auf der Hauptstraße angekommen. Ich entdeckte eine Bank auf der anderen Straßenseite und ging hinüber.

Sie
ignorieren es
    Als ich ins Hotel zurückkehrte, hatten Liz und Jeremy es sich gemeinsam auf einem Bett gemütlich gemacht und studierten kichernd eine Landkarte von Indien. Sobald ich den Raum betrat, hörten sie schlagartig auf zu lachen und sahen mich schuldbewußt an, nur um mich dann unverhohlen blöde anzugrinsen.
    »Will jemand von euch was essen gehen?« fragte ich.
    »Warum nicht?« antwortete Liz und schenkte mir ein Keine-Angst-ist-nix-passiert-Lächeln.
    »Wo kann
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