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Meine Freundin, der Guru und ich

Meine Freundin, der Guru und ich

Titel: Meine Freundin, der Guru und ich
Autoren: William Sutcliffe
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völlig. »Wenn du erst mal ein paar Monate hier bist… hörst du von selbst auf, diese Frage zu stellen. Dann fängst du an, dich hier genauso zu Hause zu fühlen wie in deinem Heimatland.«
    »Klar«, sagte Liz. »Kann ich mir vorstellen.«
    »Trotzdem: Wo kommst du wirklich her?« hakte ich nach.
    Er ignorierte mich.
    »Aus England?« fragte ich. »Wir sind nämlich auch aus England.«
    Widerwillig nickte er.
    »Und von wo genau?« fragte ich.
    »Och … aus'm Süden.«
    »Prima. Wir auch. London?«
    »Nö.«
    »Aus welcher Stadt dann?«
    Jetzt war er total angenervt.
    »Tunbridge Wells«, gab er zurück.
    »Ach, wie nett. Muß ja hier alles ziemlich aufregend für dich sein. Ich meine, wenn man aus so einer reichen Gegend kommt.«
    »Das legt sich. Echt«, versetzte er und sah Liz tief in die Augen.
    »Wie lange bist du schon hier?« fragte sie.
    Er lachte in sich hinein. »Ohhh – lange genug. Lange genug, um es zu lieben … und Scheiße zu finden. Lange genug, um mir die Frage zu stellen, ob ich jemals werde zurückgehen können.«
    »Was heißt das – eine Woche?« fragte ich.
    Sie fanden das beide nicht witzig.
    »Wirst du hier oft krank?« fragte ich.
    »Was meinst du mit krank?«
    Er sah mich an, als hätte er gerade etwas umwerfend Schlaues gesagt.
    Ich sah ihn an, als hätte er gerade etwas umwerfend Dummes gesagt.
    »Na, du weißt schon. Montezumas Rache, Delhi Belly. Dünnschiß.«
    »Schau – es ist so: Wenn du in diesem Land überleben willst, mußt du deine alten Vorstellungen über Bord werfen. ›Krank‹ bedeutet im Westen etwas anderes als im Osten. Ein Inder akzeptiert sein Schicksal. Es ist dieser beständige Kampf gegen das Schicksal, der eine Nation von Hypochondern hervorgebracht hat. Es ist alles so flüchtig – für mich spielt das fast keine Rolle.«
    »Das Wasser hier trinkst du aber, wie ich sehe, trotzdem nicht«, erwiderte ich und deutete mit einer Kopfbewegung auf die Mineralwasserflasche neben seinem Bett.
    Er warf mir einen bösen Blick zu. Liz tat es ihm gleich.
    »Macht es dir was aus, wenn ich einen Schluck davon nehme, Jeremy – ich meine: J?«
    Er nickte. Da ich keine Lust verspürte, seine Erreger in mich aufzunehmen, versuchte ich zu trinken, ohne die Flaschenöffnung zu berühren, aber es klappte nicht, und statt dessen lief mir das meiste vorne runter. Ich glaube allerdings nicht, daß sie das bemerkt haben.
    Auf ein Stichwort von Liz hin fing J an, sämtliche Orte herunterzubeten, an denen er gewesen war, während sie eifrig alle seine Vorschläge notierte und dabei Sachen murmelte wie »Wow, das klingt geil!«, »Ich weiß nicht, ob wir dafür mutig genug sind« und »Wo genau findet man diesen Kamelmenschen?«. Nachdem das eine Weile so weitergegangen war, wurde es mir zu bunt, und ich bat Liz auf den Flur hinaus, um ein Wörtchen mit ihr zu reden.
    »Warum müssen wir dazu rausgehen?« fragte sie und sah widerwillig von Jeremys Kartenwerk auf.
    »Weil ich mit dir reden will.«
    »Aber …«
    »Unter vier Augen.«
    Sie tauschte Blicke mit Jeremy und ging dann mit mir raus in den Flur. Ehe ich noch Gelegenheit hatte, etwas zu sagen, ging sie schon auf mich los.
    »Warum bist du so grob?«
    »Der Typ ist ein Arschloch.«
    »Du hast keinen Grund, so mit ihm zu reden.«
    »Wieso nicht? Er ist ein Wichser.«
    »Wenn du dir die Mühe machen würdest, ernsthaft mit ihm zu reden, würdest du feststellen, daß er in Wahrheit ziemlich nett ist.«
    »Ach komm, hör auf…«
    »Das ist er wirklich! Außerdem ist er schon eine ganze Weile hier und weiß eine ganze Menge Sachen, die für uns beide noch von Nutzen sein werden.«
    »Und das ist also der Grund, weshalb du so heftig mit ihm flirtest?«
    »Ich flirte nicht mit ihm.«
    »Aber hallo. Der hat dich seit dem Moment, als du den Raum betreten hast, nicht mehr aus den Augen gelassen – und du genießt das auch noch richtig.«
    »Ach, jetzt mach mal 'nen Punkt.«
    »Das stimmt aber. Und genau deshalb mag ich ihn nicht.«
    »Mein Gott, werd endlich erwachsen!«
    Liz drehte sich mit einer heftigen Bewegung um und begab sich schnurstracks wieder in den Schlafsaal.
    Ich folgte ihr bis dorthin und sagte: »Wegen mir kannst du hier so lange bleiben, bis du schwarz wirst – ich schau mir jedenfalls die Stadt an.«
    »Sag mal, interessierst du dich denn gar nicht dafür, wo die coolsten Orte sind?«
    »Doch, ich bin total von den Socken, Liz. Ehrlich. Aber weißt du, da draußen gibt's 'ne echte Welt zu entdecken. Vor der kannst
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