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Meine Freundin, der Guru und ich

Meine Freundin, der Guru und ich

Titel: Meine Freundin, der Guru und ich
Autoren: William Sutcliffe
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Monate wirklich anfühlten –, wurde mir mit einem Mal ganz schwindlig, so verzweifelt war ich.
    »Und? Was meinst du?« fragte Liz.
    »Heftig.«
    »Mmm.«
    »Glaubst du, wir kriegen anderswo was Besseres?«
    »Wir können im Zweifelsfall immer noch jemanden fragen«, erwiderte ich.
    »Die Leute hier müssen das wohl für die beste Absteige halten, sonst wären sie ja kaum hier, oder?«
    »Vermutlich.«
    Die Vorstellung, daß irgend jemand das hier für die beste Absteige in Delhi halten konnte, machte mich vollends fertig. Aber bei der Hitze kam es einfach nicht in Frage, noch mal schwerbepackt durch die Gegend zu tigern, bis wir was gefunden hatten, das uns gefiel.
    Liz fischte den Führer aus ihrem Rucksack, und wir stellten fest, daß es noch ein weiteres Hotel in dieser Gegend gab, das empfohlen wurde. Es nannte sich Mrs. Colaços und wurde als »einfach, meistens überfüllt und eher nervenaufreibend« beschrieben, was nicht besonders einladend klang, aber es war das einzige in der Nähe, das erwähnt wurde – also schleppten wir uns durch die heiße, suppige Luft auf Frau Colaços Etablissement zu.
    Die Atmosphäre dort war einen Tick weniger niederschmetternd als bei Ringo, und es wimmelte nicht ganz so sehr von katatonischen Hippies. Auch hier waren keine richtigen Zimmer frei, aber wir nahmen die uns angebotenen Schlafsaal-Betten dankbar an, froh, endlich einen Ort zu haben, an dem wir uns aufs Ohr hauen konnten.
     
    Wir hauten uns aufs Ohr.
    Während ich auf meiner harten Matratze lag und auf den Ventilator an der Decke starrte – der sich gerade langsam genug drehte, um auch ganz sicher keinen Nutzen zu haben fiel mir auf, daß mir noch nie in meinem Leben richtig heiß gewesen war. Ich meine, natürlich hatte ich mal von der Sonne heiße Haut bekommen, und auch vom Rumrennen war mir schon heiß, aber noch nie zuvor hatte ich dieses seltsame Gefühl gehabt, von innen heraus zu köcheln wie ein Stück Fleisch. Ich fühlte mich wirklich völlig heiß – so als wären meine Arme und Beine und meine inneren Organe riesige, halbgare Klumpen, die ich mit mir herumtragen müßte. Und der aus meiner Nase kommende Atem fühlte sich an wie ein Mini-Fön, der direkt auf meine Oberlippe blies.
    Wie konnten Menschen nur so leben? Wie konnte ein Land unter diesen Umständen funktionieren? Wie konnte derart viel Luft nur solche Temperaturen erreichen, ohne dabei den ganzen Planeten aufzuheizen?
    Wir konnten nicht auspacken, da es keinen Platz für unser Zeug gab. Daher wußten wir, nachdem wir ausgeschlafen hatten, nicht recht, was wir tun sollten. Ich hatte mich immer schon gefragt, was Reisende so den ganzen Tag über machen – und nun saß ich also da, auf einem Bett in Delhi, gerade eben angekommen, und wußte nicht, was ich tun sollte. Wir waren beide zu erledigt von der Hitze, um uns zu bewegen, und hatten weder den Willen noch den Mumm, nach draußen zu gehen und uns der Realität zu stellen: daß wir jetzt in Indien waren.
    Außer uns befand sich noch eine weitere Person im Raum. Er lag auf dem Rücken, Ellbogen auf dem Bett, Hände in der Luft, und starrte ins Leere. Es sah aus, als läse er in einem Buch. Nur daß seine Hände leer waren.
    »Hi«, sagte Liz.
    »Peace«, sagte er.
    »Peace«, erwiderte sie.
    Er setzte sich auf und warf ihr einen lüsternen Blick zu.
    »Wie heißt du?« fragte Liz.
    »J.«
    »J?« fragte ich, mit einem Unterton, aus dem sofort die Antipathie herauszuhören war, die ich ihm spontan entgegenbrachte. Ziemlich beachtlich, wenn man bedenkt, daß mir dafür nur ein Buchstabe als Anhaltspunkt zur Verfügung stand.
    »J – cool«, versuchte Liz meinen Einsatz wettzumachen.
    »Wie heißt du wirklich?« fragte ich.
    »Wie ich wirklich heiße?«
    »Ja.«
    Über sein ganzes Gesicht stand »Privatschulschnösel!« geschrieben.
    »J.«
    »So nennen dich deine Eltern?«
    »Nein. Ist 'ne Abkürzung für Jeremy.«
    »Ach so. Tut mir leid, Jeremy. Ich meine: J.«
    »Wo kommst du her, J?« wollte Liz wissen.
    Jeremy lachte leise und warf ihr einen langen, bedeutungsvollen Blick zu. Liz bemühte sich, nicht allzu verwirrt dreinzublicken.
    »Ihr seid noch nicht sehr lange hier … oder?«
    Liz nötigte sich ein jungfräulich-verschämtes Erröten ab.
    »Nein«, erwiderte sie und nestelte am Bettlaken herum.
    »Wir sind eben erst angekommen.«
    »Dachte ich mir gleich«, sagte er.
    »Liegt vielleicht an den Gepäck-Aufklebern auf unseren Rucksäcken …«, warf ich ein.
    Er ignorierte mich
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