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Meine Cousine Emilia: Roman (German Edition)

Meine Cousine Emilia: Roman (German Edition)

Titel: Meine Cousine Emilia: Roman (German Edition)
Autoren: Vlada Urosevic
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Das Flugzeug erinnerte an ein hässliches Insekt mit einem Stachel vorne am Kopf.
    Von einem Malvenstängel aus flog mir eine kleine schwarze Mücke ins Auge. Das Auge brannte und die ganze Landschaft verschwand hinter einem dichten Schleier. Vor Schmerz kniff ich die Augen zusammen.
    »Den Hals soll er sich brechen!«, rief ich zornig aus.
    Ich öffnete die Augen genau in dem Moment, als aus dem Flugzeugrumpf orangene Flammen schlugen. Das Flugzeug wurde durchgerüttelt, brennende Teilchen stoben von ihm weg. Und im nächsten Augenblick verschwand es, einen schwarzen Schweif aus dichtem Qualm hinter sich her ziehend, hinter den Bäumen, wo das Brachland zu Ende war. Sicher war es von einem Geschoss der Flugabwehrgeschütze getroffen worden. Dann drang von dort eine dumpfe Explosion zu uns herüber.
    Meine Cousine Emilia kicherte.
    »Das war der zweite Wunsch«, sagte sie.
    Die Elefanten standen noch immer abwartend da und schnoberten vorsichtig in der Luft, als spürten sie, dass die Gefahr noch nicht vorüber war. Und tatsächlich: Von der anderen Seite der Brache her waren Stimmen zu hören. Das abgestürzte Flugzeug hatte eine Gruppe Soldaten aus der Stadt angelockt, die mit schussbereiten Gewehren den Absturzort suchten. Sie hatten sich aufgeteilt und verständigten sich mit Zurufen, während sie im Dickicht der Dornensträucher nach einem Pfad Ausschau hielten. Nur noch ein wenig näher, und sie würden die Elefanten bemerken.
    »Sie werden sie entdecken«, sagte meine Cousine Emilia, vollkommen kaltblütig und ohne auch nur die geringste Anteilnahme in diese unbarmherzige Feststellung zu legen.
    Und tatsächlich: Der Soldat, der am weitesten vorausgelaufen war, hielt plötzlich inne. Dann rief er etwas und zeigte auf die Elefanten.
    In meiner Aufregung hatte ich nicht bemerkt, dass meine Hand auf einem Ameisenhaufen lag. Erst als ich ein beißendesPrickeln verspürte, sah ich, dass große Ameisen mit roten Köpfen meine Hand angegriffen hatten.
    Ich streifte die Ameisen, die sich mit ihren Mundwerkzeugen fest in meiner Haut verbissen hatten, mit der anderen Hand ab.
    »Haut ab!«, rief ich. »Verschwindet!«
    »Wer soll verschwinden?«, fragte meine Cousine Emilia scheinbar arglos.
    »Die Elefanten«, sagte ich im letzten Moment.
    Der Soldat, der den anderen Zeichen gemacht hatte, blieb stehen. Ein paar andere kamen nähergerannt. Er zeigte auf die Stelle, wo bis eben die Elefanten gewesen waren.
    Aber dort war jetzt nichts mehr zu sehen. Unter der Sonne, die mit unveränderter Glut vom Himmel brannte, leuchteten nur die scharfkantigen Gräser, wiegte sich sanft das Unkraut, blühten die gekrönten Distelkelche. Über alldem wogte schwer die warme Luft.
    Die Elefanten waren verschwunden.
    »Der dritte Wunsch«, sagte meine Cousine Emilia mit einem leicht boshaften Gesichtsausdruck. »Das war’s.«
    »Was?«, fragte ich.
    »Die drei Wünsche«, sagte sie und stand auf. Sie schüttelte das trockene Gras aus ihrem Rock, schaute mich an, als bemitleide sie mich, und gab mir die Hand, damit ich sie aus dem Dickicht führte.
    Wir kehrten auf einem kürzeren Weg nach Hause zurück. Die Erwachsenen waren damit beschäftigt, den Keller umzuräumen: Sie hatten beschlossen, daraus einen Luftschutzraum zu machen. Sie holten Trödel von unten hoch, alte Fässer, Lampen mit zerbrochenen Schirmen, schimmeligeBücher, und brachten Feldbetten und Decken hinunter, stellten eine Hausapotheke zusammen. Von unserer Abwesenheit hatten sie kaum Notiz genommen.
    »Wo wart ihr denn?«, fragten die Tanten.
    »Ich habe Emilia die toten Pferde gezeigt«, sagte ich.
    »Oh Gott, was sind das nur für Zeiten«, seufzten die Tanten. »Zu unserer Zeit haben die Jungen den Mädchen schönere Dinge gezeigt.«
    Wir gingen ins Haus. Ich schaute zur Fotografie und blieb verblüfft stehen: Ich hätte schwören können, dass vorher die Köpfe der Elefanten dem Betrachter zugewandt waren, jetzt aber standen sie genau andersherum, sie waren auf dem Weg ins Dickicht des Dschungels, der sich bereits um sie herum schloss.
    Ich wollte jemanden danach fragen, um meine Erinnerung an die Fotografie zu überprüfen, überlegte es mir aber anders. Im Salon saßen Opa Simon und der Richter Pletvarski, ein häufiger Gast in unserem Haus, in den Sesseln und sprachen über ein Flugzeug, das abgeschossen worden und irgendwo am Stadtrand abgestürzt sei. Als ich an ihnen vorbeiging, blieb ich kurz neugierig stehen; sie aber warfen mir einen tadelnden Blick zu und
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