Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein wunderbarer Brautsalon

Mein wunderbarer Brautsalon

Titel: Mein wunderbarer Brautsalon
Autoren: Jana Sonntag
Vom Netzwerk:
Rockmusiker zu werden. Aber nachdem er merkte, dass wir nicht gerade von Groupies belagert werden und es außerdem ziemlich anstrengend ist, für jeden Auftritt Instrumente, Verstärker, Monitorboxen und was man sonst noch alles braucht, hin und her zu transportieren, auf- und wieder abzubauen, hatte er schnell keine Lust mehr.
    Dabei sind wir gar nicht mal so schlecht. Zu einem Plattenvertrag hat’s zwar nicht gereicht, aber seit wir nicht mehr eigene Sachen spielen, sondern nur noch bekannte Stücke covern, haben wir sogar hin und wieder einen Auftritt. Bei Betriebsfeiern, auf großen Geburtstagen und – ja – manchmal auch bei Hochzeiten. Unten neben der Kasse hängt ein Zettel mit Maltes Telefonnummer, und etwa alle drei Monate ruft sogar eine meiner Kundinnen an. Früher hat Malte dann immer eine Demo-CD zugeschickt, aber seit neuestem haben wir sogar eine eigene Homepage, auf der man sich Hörproben runterladen kann. Und manchmal werden wir dann tatsächlich auch gebucht. Okay, kommt nicht wirklich oft vor, aber es ist ja schließlich auch mehr ein Hobby. Unsere Version von »Eye of the Tiger« ist jedenfalls sensationell, das finden alle, die sie mal gehört haben. Manchmal denke ich, dass wir vielleicht doch noch versuchen sollten, etwas mehr draus zu machen. Aber für »Deutschland sucht den Superstar« sind wir wohl alle schon ein bisschen zu alt. Und vielleicht auch ein bisschen zu schlecht, wenn ich ehrlich bin.
    Die Sache mit Clara weiß keiner aus der Band, nicht einmal Malte. Zu Beginn hatte ich keine Lust, ihnen davon zu erzählen, weil ich keine mitleidigen Kommentare hören oder eine Sonderbehandlung bekommen wollte. Außerdem erzählt man das nicht einfach so. Und jetzt ist es mittlerweile zu spät dafür. So nach dem Motto: »Hey, Leute, wir kennen uns jetzt zwar schon einige Jahre und verbringen den größten Teil unserer Freizeit miteinander, aber was ihr noch gar nicht wisst, ist, dass ich meine große Liebe verloren habe, als sie vorm Kühlergrill eines Sattelschleppers landete!« Nein, das käme möglicherweise nicht so gut. Es ist zwar nicht so, das ich aus meinem Herzen eine Mördergrube mache – aber bestimmte Dinge behalte ich lieber für mich.
    Ich gehe wieder runter in den Laden. Wird Zeit, dass ich die anderen beiden Schaufenster dekoriere.

    Annika
    Ich bin eine Single-Expertin. Das habe ich sogar Schwarz auf Weiß. Einmal pro Monat erscheint mein Foto in der angesagten Frauenzeitschrift »Isabelle«. Und darunter steht es dann: Annika Peters, unsere Single-Expertin. Mal gebe ich Tipps zum Thema »Wie finde ich den Traummann?« oder »Woran erkenne ich, wie ernst er es meint?«, dann wieder lasse ich mich über »So wickeln Sie ihn garantiert um den Finger!« oder »Wie aus einem One-Night-Stand die große Liebe wird« aus. Jeden Monat. Von Januar bis Dezember. Und das schon seit mehr als fünf Jahren.
    Das Komische dabei: Ich bin nicht nur Expertin für Singles, ich bin es auch selber. Also, Single, meine ich. So, wie die gesamte Redaktion der »Isabelle«. Allesamt unfreiwillige Einzelgänger, die morgens allein aufwachen und abends allein wieder einschlafen – und die sich trotzdem nicht zu blöd dafür sind, ihrer weiblichen Leserschaft (von ein paar verirrten Männern mal abgesehen) alle vier Wochen die neuesten Erkenntnisse rund um Liebe, Sex und Partnerschaft unterzujubeln. Aber eine verkaufte Auflage von über vierhunderttausend Exemplaren gibt uns recht, wen kümmert es da schon, dass wir wie die Blinden von der Farbe reden?
    Ich persönlich habe die Sache mit dem Traummann mit meinen dreiunddreißig Jahren übrigens aufgegeben. Zumindest für die nächsten zehn Jahre, bis ich wieder genug Kraft gesammelt habe, um ein weiteres Beziehungs-Desaster zu überleben. Denn seit ich aktiv am Liebeskarussell teilnehme (also ungefähr, seit ich dreizehn oder vierzehn bin), wiederholen sich die Geschichten in derart identischer Weise, dass ich schon gelangweilt wäre – wenn es nicht jedes Mal so verdammt wehtun würde: Annika lernt Typ kennen, Typ interessiert sich für sie, Annika weiß nicht so recht. Typ baggert wie wild, Annika will sich eigentlich nicht einlassen. Nach ein paar Wochen (oder Tagen) verliebt Annika sich in Typ und wagt es doch. Ein, zwei Monate lang sind Annika und Typ glücklich, aber dann will Annika wissen, woran sie bei ihm eigentlich ist. Typ zieht sich plötzlich zurück, ruft nicht mehr an und verschwindet irgendwo im Nirwana…
    So oder so ähnlich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher