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Mein wunderbarer Brautsalon

Mein wunderbarer Brautsalon

Titel: Mein wunderbarer Brautsalon
Autoren: Jana Sonntag
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an. Hm, die Schaufenster sind nun wirklich mein Bereich, aber bevor ich etwas sagen kann, taucht meine Großmutter auf. »Guck’s dir mal an«, fordert sie mich auf. »Das hat Britta ganz wunderbar gemacht.« Britta strahlt noch breiter. Also gut, lasse ich ihr die Freude.
    Ich gehe auf die Straße und stelle mich vor das große Schaufenster. Meine Großmutter hat recht, die Dekoration ist Britta wirklich gelungen: Das Kleid sitzt perfekt auf der Schneiderbüste, und trotzdem sieht man nicht, wo es abgesteckt wurde. Wir benutzen immer Büsten, Schaufensterpuppen sehen mit der Zeit einfach nicht mehr gut aus, und außerdem kann sich so jede Frau, die am Fenster vorübergeht, in das Kleid hineinprojizieren. Bei einer Puppe aus Polyester, noch dazu in etwas seltsamer Pose, fällt das schon schwerer. Zu dem Kleid hat Britta einen der goldenen Stühle mit rotem Samtbezug aus dem Laden gestellt und darauf verschiedene Accessoires drapiert: ein Diadem mit passendem Collier, eine champagnerfarbene Handtasche, an der Lehne steckt ein langer Schleier, und zu seinen Füßen steht ein Paar Brautschuhe. Ein kleiner Hingucker, aber nicht zu übertrieben, damit das Kleid trotzdem noch allein wirken kann. Und das tut es auch, dieses Modell wird heiratswillige Frauen garantiert in den Laden locken!
    Zufrieden betrachte ich das Schaufenster, daran muss ich wirklich nichts mehr verändern. Während ich überlege, was ich bei den anderen zwei Fenstern, die noch neu dekoriert werden müssen, machen kann, sehe ich aus den Augenwinkeln, wie jemand aus dem Geschäft kommt. Schwarze Strubbelhaare, lässiger Armeeparka – mein Bruder Rufus.
    »He Kleiner«, begrüße ich ihn erstaunt. »Ich hab gar nicht gewusst, dass du drinnen im Laden bist!« »Ich hab nur oben in der Küche schnell einen Tee getrunken«, erwidert er grinsend – und ist im nächsten Moment auch schon mit einem lässigen »so long« um die Ecke entschwunden. Rufus!
    Wieder zurück im Laden, höre ich das Klingeln des Telefons oben im Büro. Mit eiligen Schritten stürze ich die Treppe zum ersten Stock hoch, stoße die Tür zum Büro auf und reiße das Telefon aus der Station.
    »Brautsalon Hübner, guten Tag!«, melde ich mich atemlos. Am anderen Ende der Leitung erklingt eine Stimme, die sich anhört, als stünde ihr Besitzer kurz vor dem Exitus. »Moin, Christoph, ich bin’s.« »Wer ist ›ich‹?«, erwidere ich, weil ich nicht die geringste Ahnung habe, wen ich da an der Strippe habe. Wieso können sich die Leute nicht vernünftig melden? Bin doch kein Hellseher. »Malte«, erklingt es dann, dicht gefolgt von einem lauten Stöhnen. »Ach, du bist es! Du klingst ja furchtbar.« »Ja«, meint Malte und stöhnt noch einmal so laut, dass ich den Hörer etwas weiter weg vom Ohr halten muss. »Mich hat’s total erwischt«, erklärt er und hustet demonstrativ. »MagenDarm-Infekt mit Erkältung, kann kaum aus den Augen gucken.« »Das höre ich.«
    »Tja, so ist das eben mit zwei Kleinkindern, ständig bringen sie irgendwas aus dem Kindergarten mit.« Mein bester Freund Malte hat mit seiner Freundin Marion zwei Töchter im Alter von zwei und vier Jahren. Eigentlich ist er ständig krank, neulich waren es sogar Kopfläuse. »Jedenfalls muss ich die Probe für heute Abend absagen, tut mir echt leid. Aber Donnerstag bin ich hoffentlich wieder auf dem Damm. Ich ruf dann die anderen noch an.«
    »Kein Problem«, antworte ich, »kurier dich erst einmal richtig aus. Momentan stehen ja eh keine Auftritte an.«
    »Ja, leider.« Wieder stöhnt er. »Ich muss zurück ins Bett.« »Glaube ich auch. Also, besser dich!« Wir verabschieden uns, und ich überlege kurz, was ich mit dem unverhofft freien Abend anfangen könnte. Am besten einfach gemütlich vorm Fernseher abhängen und die Füße hochlegen.
    Ehrlich gesagt verbringe ich fast jeden Abend so. Außer dienstags und donnerstags, da haben Malte, Torsten, Nina und ich immer Probe. Musik ist nämlich neben Modedesign meine zweite große Leidenschaft. Seit gut zehn Jahren besteht unsere Band »High Emotions«. Irgendwann mit Mitte zwanzig habe ich einen Aushang gesehen, dass sie noch einen Sänger und Gitarristen suchten, und habe mir gedacht, dass das neben dem Geschäft ein guter Ausgleich wäre. Malte spielt Bass, Torsten Schlagzeug, Nina spielt Keyboard und singt, ich selbst bin der Frontman mit Gitarre. Eine Zeit lang hat Rufus sich bei uns auch mal als Sänger versucht. Das war die Phase, als er davon überzeugt war,
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