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Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Titel: Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis
Autoren: Michail Chodorkowski
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also die Umverteilung von Eigentum, wurde nach dem Yukos-Verfahren zur gängigen Praxis. Nach Berechnungen von Spezialisten sitzt ein Drittel der Inhaftierten in Russland heute wegen Wirtschaftsdelikten ein. Das sind etwa dreihunderttausend Menschen, deren Unternehmen entweder zerstört oder enteignet wurden. Das »Telefonrecht«, also die direkte Einflussnahme der Exekutive auf die Entscheidungsfindung der Gerichte als der letzten Instanz, die die gewaltsamen Lösungen legitimieren soll, hat seine Aktualität in Russland nie verloren.
    In der »Risikogruppe« fanden sich natürlich die Großunternehmer, die in den neunziger Jahren zu Geld und Einfluss gekommen waren. In ihrem Besitz befanden sich nun die besten Rohstoff-Assets des Landes. Gleichzeitig waren die Ergebnisse der jelzinschen Privatisierungen noch immer nicht juristisch festgeschrieben, weshalb die Oligarchen mit all ihrem Vermögen vom Willen des Staates abhängig blieben. Die Frage war nur, ob der Staat den Status quo verletzen und sich diese Gesetzeslücke zunutze machen wollte. Jelzin tat das nicht, aus welchen Gründen auch immer. Putin tat genau das und erinnerte die Unternehmer einmal mehr daran, dass der Staat alles kann. Das hatten alle schnell begriffen.
    In der Staatsanwaltschaft tauchte nun eine ziemlich interessante Figur auf: Salawat Karimow, Ermittler der russischen Generalstaatsanwaltschaft in besonders wichtigen Verfahren, seit Beginn der 2000er Jahre bekannt unter dem Namen »Oligarchenkiller«. Heute bekleidet er das auf den ersten Blick bescheidene Amt eines Beraters des russischen Generalstaatsanwalts Juri Tschaika, allerdings unter Beibehaltung seines Büros und seines Dienstwagens, was in Russland Macht und Einfluss symbolisiert.
    Es war Karimow, der das Verfahren gegen den Medienmagnaten Wladimir Gussinski leitete, den Inhaber von NTW , dem größten privaten Fernsehsender. NTW gehört heute Gazprom, und Gussinski hat, anders als Chodorkowski, alles unterschrieben, was der Staat von ihm verlangte, und nach einigen Tagen im Gefängnis das Land verlassen. Chodorkowski war übrigens unter denjenigen, die seinerzeit die Forderung nach Freilassung Gussinskis unterzeichnet hatten. Interessant ist auch, dass Gussinski unmittelbar nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis warnte, es werde ein »Angriff« auf weitere Oligarchen vorbereitet, darunter »einige Leute im Management von Yukos«. Er sollte Recht behalten.
    Derselbe Karimow leitete auch die Ermittlungen gegen den ehemaligen Verkehrsminister Nikolai Axjonenko, der im Jahre 2000 im Kampf um das Präsidentenamt gegen Putin angetreten war. Axjonenko starb 2003 an Krebs. Er stand unter Hausarrest, auch zu den Behandlungen ließ man ihn nicht; als er schließlich (angeblich nach persönlicher Intervention Jelzins) doch noch in die Schweiz ausreisen durfte, war es bereits zu spät.
    Ein weiterer Karimow-Fall war das Verfahren gegen Jakow Goldowski, den Inhaber des Öl- und Gasunternehmens Sibur. Im Jahr 2002 wurde Goldowski direkt im Gazprom-Gebäude verhaftet. Er legte seine Vollmachten als Chef des Unternehmens nieder und willigte in eine Übertragung der Sibur-Anteile an Gazprom ein. Daraufhin wurde er aus dem Gefängnis entlassen und reiste nach Österreich aus.
    Ebenfalls unter Karimows Leitung stand das Strafverfahren gegen einen derjenigen, die Wladimir Putin gemacht und protegiert hatten: den späteren erbitterten Putin-Kritiker Boris Beresowski. Beresowski wurde vorgeworfen, Gelder des Automobilkonzerns Awtowas, der ihm seinerzeit unterstanden hatte, unterschlagen zu haben. Es war dieses Verfahren, das die russischen Behörden mehrfach in ihren erfolglosen Bemühungen um eine Auslieferung Beresowskis aus Großbritannien ins Feld führten. An Russland ausgeliefert wurde bis heute übrigens keiner der russischen Unternehmer, die aus politischen Gründen das Land verlassen haben.
    Und Karimow war es schließlich auch, der die erste und die zweite Anklageschrift gegen Chodorkowski und Lebedew unterschrieb. Sein Name findet sich auf beinahe allen Prozessunterlagen, bis in das Jahr 2007 hinein. De facto zeichnet er für die operative Leitung der staatlichen Ankläger sowohl im ersten als auch im zweiten Prozess gegen Chodorkowski und Lebedew verantwortlich. Es ist kein Geheimnis, dass Karimow in direktem Kontakt zu dem Mann steht und von ihm Anweisungen erhält, der – nicht dem Amt, aber dem Einfluss nach – die dritte Stelle im Staat einnimmt: Igor Setschin.
    Der 1960 geborene
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