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Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Titel: Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis
Autoren: Michail Chodorkowski
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Setschin war früher als Militärdolmetscher in Mosambik tätig. Er ist studierter Romanist, spricht Portugiesisch und Französisch. Seit er 1990 Putin kennenlernte, sind die beiden unzertrennlich. Gemeinsam arbeiteten sie in der Petersburger Stadtverwaltung, gemeinsam kamen sie auch nach Moskau. Während Putins Präsidentschaft bekleidete Setschin das Amt des Stellvertretenden Leiters der Präsidialadministration und Präsidentenberaters. Unter Premierminister Putin ist Setschin nach wie vor dessen rechte Hand – im Amt eines Vizepremierministers. Bis 2003 war Setschin eine überaus einflussreiche, wenngleich nur im Schatten agierende Figur aus Putins Umfeld. Publik wurde sein Name just im Zusammenhang mit dem Yukos-Prozess: Er gilt als Organisator und Pate dieser Geschichte, und er kontrolliert seither auch Chodorkowskis ehemaliges Unternehmen. Setschin selbst bemüht sich, dieses Thema zu meiden, er kommentiert es öffentlich nicht. Die einzige Ausnahme war ein Interview mit der Financial Times vom 21. 6. 2010, in dem Setschin den Journalisten empfahl, die Wahrheit im Fall Chodorkowski bei den Staatsanwälten zu suchen – und nicht etwa beim Gericht, wo der Prozess gegen Chodorkowski und Lebedew zu dieser Zeit gerade lief.
    Inzwischen erinnert Chodorkowskis Geschichte immer mehr an die Geschichte des »Mannes mit der eisernen Maske« – nicht, weil sie so geheimnisvoll wäre, sondern weil auch hier auf Geheiß von oben ein Häftling für lange Zeit oder gar für immer »weggesperrt« wird. Sobald nur der Name Chodorkowski fällt, ist Putin außerstande, seine Gereiztheit zu verbergen; er bemüht sich gar nicht erst, unparteiisch zu wirken. Vielleicht glaubt er ja tatsächlich an eine Verschwörung der Oligarchen gegen ihn – ein Gerücht, das der bis dahin nicht sonderlich bekannte PR-Mann Stanislaw Belkowski (Direktor und Gründer des Instituts für nationale Strategien, heute Kritiker Putins und Autor zweier Bücher über ihn: »Wladimir Putins Geschäfte« und »Wladimir Putins Imperium«) 2003 in Umlauf brachte. Laut dieser Version soll der Hauptverschwörer Chodorkowski vorgehabt haben, das russische Parlament zu kaufen und einen Staatsstreich zu veranstalten. Die Vorstellung, im russischen Parlament säßen 300 käufliche Abgeordnete, die der Oligarch angeblich ohne Weiteres kaufen könne, schien erstaunlicherweise niemand abwegig zu finden. Diese Geschichte hat absurd angefangen, und sie geht ebenso absurd weiter.
    Trotz seiner juristischen Ausbildung erlaubt sich der ehemalige Präsident, heutige Premierminister und wahrscheinlich abermals zukünftige Präsident des Landes, Chodorkowski öffentlich mit Mordfällen in Verbindung zu bringen, wegen derer er nie angeklagt wurde. Zugleich gab er sich noch im zweiten Jahr des zweiten Prozesses gegen Chodorkowski in einem Interview mit der Zeitung Kommersant erstaunt über das Zustandekommen dieses Verfahrens. 4 Zehn Tage später aber, während eines Treffens mit russischen und ausländischen Politikexperten, schlug er einen radikal anderen Ton an. Adam Michnik, der den Premierminister nach Chodorkowskis Schicksal gefragt hatte, berichtete nach der Begegnung: »Mich verblüffte, wie sich sein Gesicht plötzlich veränderte, wie es rot anlief. Leidenschaftlich fing er zu sprechen an: ›Der Chef seiner Wachmannschaft hat Menschen umgebracht. Und das soll er nicht gewusst haben?! Wir sind doch keine Kinder!‹ Bis dahin war er in Bestform gewesen, entspannt, geistreich. Aber dann wurde er plötzlich sehr hart, sehr emotional: Das Thema hat ihn persönlich tief getroffen.« 5
    In Russland, wo kein Wort Putins ungehört bleibt, kann man eine solche Erklärung während eines laufenden Gerichtsverfahrens wohl kaum als Nichteinmischung in die Angelegenheiten des Gerichts betrachten – zumal, da es nicht die erste ihrer Art ist. Über den Fall Alexej Pitschugins, des erwähnten »Chefs der Wachmannschaft«, der ohne Beweise für seine Schuld an der Ermordung mehrerer Menschen zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, wissen noch weniger Menschen Bescheid als über Chodorkowskis Fall – ein Umstand, den Putin in Gesprächen mit dem »Volk« und mit Ausländern immer wieder geschickt zu nutzen weiß.
    Dieser ganzen Geschichte haftet etwas zutiefst Persönliches an. Viele Beobachter hegen denn auch keinen Zweifel, dass Chodorkowski Putins persönlicher Gefangener ist. Oder, wenn man so will, der persönliche Gefangene einer von Putin angeführten Vereinigung der
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