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Mein Wahlkampf (German Edition)

Mein Wahlkampf (German Edition)

Titel: Mein Wahlkampf (German Edition)
Autoren: Oliver Maria Schmitt
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schrieb mir die Sachen ruckzuck zu Ende, ich kam ja nicht mehr dazu.
    Glücklicherweise war es gar nicht so schwer, diesen neuen Berater zu finden: Olaf Glaeseker, der ehemalige Pressechef von Christian Wulff, war nämlich frei. Einen besseren als ihn kann man für Geld, für sehr viel Geld nicht kriegen, schließlich hat er es nachweislich geschafft, aus einer Doppelnull einen Bundespräsidenten zu machen.

    Wenige Tage nach der Wahl meldete sich PARTEI-Chef Sonneborn telefonisch und trug mir die Kanzlerkandidatur für den Bundestagswahlkampf an. «Du bist zwar einer von mehreren Spitzenkandidaten der PARTEI», sagte er, «doch meiner Meinung nach bist du der, der am Ende übrig bleibt.» Und er fügte hinzu: «Das bleibt aber unter uns.» Weswegen ich dieses geheime Zusatzprotokoll lieber nicht öffentlich mache.
    Ob Sonneborn mir die Kandidatur aus freien Stücken anbot, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass es im Vorfeld Telefonate des Landesvorsitzenden mit dem Parteichef gegeben hatte, in denen der Landeschef auf eine «substanzielle Spendensumme» hinwies, die er gemeinsam mit mir «erwirtschaftet» habe und nach Abzug unserer Kosten als offizielle Spende für die Bundesparteikasse einbuchen würde – allerdings nur, wenn die Spitzenkandidatur an mich ginge. Dann passierte alles sehr, sehr schnell, und eine Nominierungssitzung später war ich schon offizieller Kandidat. «Vorwärts immer, rückwärts nimmer», hatte einst Erich Honecker gesagt. Diese Weisheit machte ich mir zu eigen und stürzte mich Hals über Kopf in den Kanzlerwahlkampf.
    In endlosen nächtlichen Strategiesitzungen wurde ich mittels schwerster Alkoholeinflößungen immer mehr auf PARTEI-Linie getrimmt. Ich war zwar Ehrenvorsitzender, die PARTEI-Linie hatte mich aber bislang nie wirklich interessiert. Da ich nun aber Kanzlerkandidat werden würde, musste ich die Partei auch inhaltlich nach außen vertreten. Dieses Wahlprogramm, das wir für Frankfurt erarbeitet hatten, sei ein «schwerer strategischer Fehler» gewesen, riefen die Sonneborn-Leute. Schließlich hatte sich die PARTEI bundesweit – und das war ihr Alleinstellungsmerkmal! – der völligen Inhaltslosigkeit verschrieben (von der Forderung nach der «baulichen Abtrennung des Beitrittsgebietes» mal abgesehen). «Inhalte überwinden», hämmerte man mir ein, immer wieder. Dass ich mit meinen engsten Vertrauten bereits an einem Bundesprogramm arbeitete, behielt ich natürlich für mich. Nun musste ich also die Parolen meines Parteichefs Sonneborn auswendig lernen, was ich besonders erniedrigend fand. Aber so ging wohl gelebte Realpolitik: gute Miene zum bösen Ränkespiel machen – und immer stoisch behaupten, das sei «ein völlig normaler Vorgang».
    War es aber nicht. Allein die Nennung des Namens Sonneborn versetzte mir jedes Mal wieder einen Stich. Was soll’s, jetzt kann ich’s ja erzählen: Ich hatte diesen Mann einst aus der Osnabrücker Provinz freigekauft und ihm einen schlecht bezahlten Redakteursjob in Frankfurt verschafft, ich hatte ihm von meinen Landtags- und OB-Kandidaturen in Baden-Württemberg erzählt und von meinen Plänen, eine undemokratische, unfreiheitliche Partei zu gründen, was mir aber, wie ich berichtete, auf Lebenszeit behördlich verboten wurde. All diese Pläne und Ideen hatte Sonneborn, dieser Finsterling, nachdem ich mich von meiner zermürbenden Arbeit als Titanic -Chefredakteur zurückgezogen und zur Erholung in einer Steueroase niedergelassen hatte, aufgesogen und hinter meinem Rücken schamlos umgesetzt. Über Nacht hatte er seine Partei «Die PARTEI» gegründet, willfähriges Fußvolk gefunden, das die Drecksarbeit für ihn erledigte, und dabei jede Menge Geld gescheffelt. Anstatt mich an den sprudelnden Einnahmen aus Spenden und Mitgliederkohle zu beteiligen, hatte er mich mit dem bedeutungslosen Amt des Ehrenvorsitzenden abgespeist – und der vagen Versprechung, ich bekäme später mal «ein paar Prozente». Da war es fast schon ein Wunder, dass der mächtige Landesvorsitzende es tatsächlich geschafft hatte, mir die Kanzlerkandidatur zuzuschanzen. Dass ich ihm und einigen anderen seiner hörigen PARTEI-Bonzen dafür allerhand lukrative Posten nach der Machtübernahme versprechen musste, versteht sich ja wohl von selbst.
    Damit wir uns recht verstehen: Ich bin kein politischer Selbstmörder! Ich trete als Kanzlerkandidat an, weil ich mir absolut realistische Chancen auf einen Sieg ausrechne. Die Wähler sollen mich ruhig nur nach dem
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