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 Mein spanisches Dorf

Mein spanisches Dorf

Titel: Mein spanisches Dorf
Autoren: Brigitte Schwaiger
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Lippen wieder so fordernd auf die meinen drückte, gab ich wieder nach und öffnete meinen Mund ganz. Vor dem Haustor habe ich mich noch frisieren müssen. Es ist ein Glück, daß Hunde nicht reden können.
     
    24. Dezember
    Möglicherweise falle ich heuer durch, aber heute ist Heiliger Abend, und ich will meine Gedanken und all meine Gefühle sammeln. Es ist ganz still im Haus. In wenigen Minuten wird meine Mutter mit dem Glöckchen läuten, dann stürmen meine kleinen Schwestern ins Zimmer vor den Lichterbaum und freuen sich über ihre Geschenke. In meinem Herzen ist alles ausgebrannt und leer. Ich habe keinen Wunsch. Ich meine, was ich mir wünsche, kann man mir nicht unter den Christbaum legen. Ich weiß nicht, ob es überhaupt noch einen Sinn hat, dieses Tagebuch zu führen. Zu vieles ist geschehen, was ich niemals aussprechen werde können. Alexander, warum hast Du mir nie Deine heilige Liebe geschenkt? Ich habe das Höchste verloren, was ein Mädchen zu verlieren hat. Und ich habe es verloren, nicht verschenkt. Es ist mir geraubt worden. S. R. tut seither, als wäre nie etwas gewesen. Ich habe überlegt, ob ich es Susi anvertrauen soll, aber ich glaube, sie würde mich verachten. Lothar hat ihr übrigens wieder geschrieben. Meine Großmutter muß zum Augenarzt, sie hat grauen Star. Giselher hat mir einen Liebesbrief geschrieben. Ich lege ihn hier ein, auch wenn er mir jetzt nichts bedeuten kann, weil dieser arme Jüngling nicht weiß, an wen er da schreibt.
     
     
     
     
    «Liebe Elisabeth,
    herzlichen Dank für Deine Karte. Ich habe mich wirklich sehr gefreut, da ich keine Post von Dir erwartet habe. Du kannst Dir also vorstellen, wie sehr ich mich um so mehr gefreut habe. Ich dachte schon, Du wärst bös auf mich, weil Du meinen letzten Brief nicht beantwortet hast. Dann dachte ich, Du bist vielleicht krank geworden. Wie ich aus Deiner Karte entnehme, ist Gott sei Dank keines von beiden zutreffend. Ich muß mich bei Dir jetzt nachträglich nochmals entschuldigen, daß ich Dich zur Geburtstagsfeier von Alexander mitgeschleppt habe. Rudi bestand darauf, daß Du mitkommen solltest, und Du weißt ja, wie er ist, wenn er seinen Kopf durchsetzen will. Vor allem aber ist er Alexanders bester Freund, und ich dachte, daß auch Du ja wirklich zu unserem Freundeskreis gehörst, und so habe ich Deine Schwips-Stimmung ausgenützt und Dich überredet. Du mußt ja die Schuhe ganz durchweicht gehabt haben. Meine waren es auch, wie ich leider erst am nächsten Tag bemerkte. Deswegen hatte ich fürchterlichen Krach mit meiner Mutter. Auch weil ich so spät heimgekommen bin. Ich glaubte, bei Alexander wird es noch recht nett werden. Daß Alexander sich verirrt hat im Schneegestöber und erst um sieben Uhr heimkam, konnte ich leider nicht wissen. Ich wollte halt, um ganz offen und ehrlich zu sein, noch länger mit Dir zusammenbleiben. Daß Rudi dann Alexanders Abwesenheit ausnützte, um Dich in so gehässiger Weise zu sekkieren, tat mir sehr leid. Aber es ist schwer, in Gegenwart von Männern eine Frau zu verteidigen. Wenn wir nur zu dritt gewesen wären, hätte ich Dir ganz bestimmt geholfen. Denn ich habe Dich nämlich sehr gern. Das habe ich Dir mündlich geschworen, und Du hast gesagt, es gibt keinen ausreichenden Grund für einen Schwur. Ich habe Dir mein Ehrenwort gegeben diesbezüglich, und Du hast wieder gesagt, es gibt keinen ausreichenden Grund. Das hat mich schwer enttäuscht. Manchmal habe ich das so zweifelhafte und unangenehme Gefühl, Du führst mich an der Nase herum. Ich hoffe allerdings, daß es nicht wahr ist. Nur kann ich mir dann vieles nicht erklären. Ich hoffe, daß Du nicht so sadistisch bist und Dich über mein Leid freust. Es wäre schön, wenn ich von Dir Klarheit über diese Sorge bekäme. Wie gesagt, es hat mich sehr gefreut, daß Du mir die Karte geschrieben hast. Du hast jedoch an dem Abend bei Alexander, das heißt, eigentlich bei seiner Großmutter, gesagt, Du glaubst keinem Menschen mehr. Von diesem Standpunkt bist Du bis zum Schluß nicht abgewichen. Du hast aber wirklich keinen Grund, mir nicht zu glauben. Es war für mich schwer, die richtigen Worte zu finden für das, was ich Dir sagen wollte. Wenn ich nicht überzeugend genug gesprochen habe, so liegt es sicher daran, daß ich in solchen Dingen nicht so erfahren bin wie andere. Aber ich habe es wirklich ernst und ehrlich gemeint.»
     
    Und so weiter und so weiter. Giselher kann ich niemals lieben. Er ist viel zu gutmütig. R. S. ist
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