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Mein skandaloeser Viscount

Mein skandaloeser Viscount

Titel: Mein skandaloeser Viscount
Autoren: Delilah Marvelle
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trat an die lange Tafel, die beladen war mit Silberplatten voller Backwerk und Früchten. Er beugte sich über eine leer gegessene Platte, um sein Aussehen im spiegelblank polierten Silber zu prüfen, strich sich eine schwarze Locke nach hinten, die ihm der Sommerwind in die Stirn geweht hatte, richtete sich wieder auf und blickte Grayson hinterher.
    Lady Somerville schlenderte am Arm ihres ergrauten Gemahls zum plätschernden Springbrunnen. Im Vorübergehen maß sie Jonathan mit glutvollen Blicken ihrer dunklen Augen und schenkte ihm ein laszives Lächeln ihrer bemalten Lippen.
    Jonathan überlief ein Frösteln bei ihrer schamlosen Koketterie. Wieso fanden ihn immer nur verheiratete Frauen attraktiv? Als stünde auf seiner Stirn geschrieben: Spiel mit mir, wenn du älter bist als dreißig. Er könnte ihr Sohn sein, verdammt noch mal!
    Jonathan drehte sich weg und sah, dass eine anmutige Gestalt im bestickten Kleid aus weißem Musselin sich der anderen Seite des Buffets näherte. Sein Pulsschlag dröhnte ihm in den Ohren, während Victoria den Griff ihres Sonnenschirms aus Organza spielerisch über der Schulter drehte und die Köstlichkeiten auf den Silberplatten begutachtete.
    Gott segne dich, Grayson, dachte Jonathan erleichtert, holte tief Luft, schnappte sich einen Kuchenteller vom Stapel und umrundete die Tafel, trat neben seine Angebetete und bot ihr den leeren Teller an. Es drängte ihn, ihr seine tiefsten Gefühle zu gestehen. Er brachte indes kein Wort über die Lippen, hielt ihr nur stumm den Teller hin und wartete darauf, dass sie ihn entgegennahm.
    Sie wandte sich ihm zu, und ihre wehenden Röcke streiften seine Schenkel. Jonathans Herz machte einen Satz beim Anblick ihrer schönen grünen Augen, ihrer rosigen, halb geöffneten Lippen. Sie wich einen Schritt zurück, um sittsamen Abstand bestrebt, ohne den Blick von ihm zu lösen.
    Einen endlos langen Moment schwiegen beide.
    Noch immer hielt er ihr tölpelhaft den Teller entgegen, den sie geflissentlich übersah. Sie richtete kein Wort an ihn, blickte ihn nur aus heiter blitzenden Augen an, und ihm war klar, dass sie die einstudierte Rolle der sittsamen Dame spielte, die sich der neugierigen Augen und gespitzten Ohren der Gesellschaft bewusst war.
    „Die Banbury Cakes verdienen höchstes Lob“, begann er im Plauderton und hob den Teller ein wenig höher. „Vielleicht probieren Sie ein Stück, ehe ich Ihnen zuvorkomme und alles aufesse.“
    Wieder drehte sie den Sonnenschirm an ihrer Schulter und zog eine blonde Braue hoch. „Sind Sie tatsächlich so unersättlich, um alle vier Kuchen zu vertilgen?“
    Jonathan lachte und sah erst jetzt, dass tatsächlich noch vier Banbury Cakes auf der Silberplatte lagen. Er räusperte sich und deutete auf den leeren Teller in seiner Hand. „Ich wollte lediglich Konversation machen.“
    „Konversation über Kuchen? Aha.“ Sie warf ihm ein spöttisches Lächeln zu und schritt an der Tafel entlang. „Wie auch immer, Mylord, sprechen Sie bitte nicht über das Wetter. In der letzten Stunde wurde ich von sechs Herren darauf hingewiesen, dass kein Wölkchen den blauen Himmel trübt. Ich wünschte mir, ein Regenguss würde Anlass zu einer kultivierteren Konversation geben.“
    Er lachte und sagte dann leise: „Von mir haben Sie keine seichte Konversation zu befürchten. Ehrlich gestanden, ist mir das Wetter gar nicht aufgefallen. Nicht bei Ihrem Anblick. Gestatten Sie mir die Bemerkung, wie atemberaubend schön Sie in diesem Kleid aussehen? Eine Engelsgestalt. Schade, dass kein Wölkchen den Himmel trübt, auf dem Sie thronen könnten.“
    Sie schüttelte lachend den Kopf. „Wie kommt es, Mylord, dass Sie bei unserer letzten Begegnung weit intelligentere Dinge verlauten ließen?“
    Bei unserer letzten Begegnung wusste ich nicht, dass ich England verlasse.
    Er verdrängte diesen Gedanken und bemühte sich um eine feinsinnige Entgegnung. Feinsinnig, feinsinnig. „Wie lange dauert es noch, bis Sie in die Gesellschaft eingeführt werden?“, fragte er, obgleich er die Antwort längst kannte.
    Victoria seufzte. „Sieben Monate. Mrs Lambert sorgt dafür, dass ich es nicht vergesse. Ebenso mein Vater.“
    Sieben Monate. In all diesen sieben Monaten wäre er abwesend, vielleicht sogar acht oder zehn Monate, je nachdem, wie lange es dauerte, bis seine Stiefschwester sich in ihrem neuen Leben zurechtgefunden hatte. Und dann gab es auch noch seine Stiefmutter, von der er inständig hoffte, sie würde den Rest ihrer Tage in
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