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Mein Schwein pfeift

Mein Schwein pfeift

Titel: Mein Schwein pfeift
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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wiederholte, unterschrieb und zusicherte, mich für eventuelle Nachfragen zur Verfügung zu halten.
    Als ich ins Freie trat, rotierten meine grauen Zellen. Momentan hatte ich zwar keinen Klienten, dafür aber einen Toten, und da sich die Mandanten nicht an mich wandten, musste ich mir welche suchen. Eine erste Gelegenheit würde sich bei der Feier ergeben.

    Der »Jägerhof« lag am Dülmener Stadtrand. Das alte Fachwerkhaus existierte bereits seit dreihundert Jahren und hatte dem westfälischen Adel bei Reisen durch die Besitztümer als Herberge gedient. Heute traf sich hier alles, was Rang und Namen hatte. Die Räume dieses Schmuckstücks waren mit Eichenpaneelen ausgelegt. An den Wänden hingen Jagdszenen aus dem 18. Jahrhundert, die im Schein der Kronleuchter wirkten, als hätte der Maler soeben den letzten Pinselstrich ausgeführt. Im Gegensatz zu ähnlichen Lokalen kam die Rustikalität jedoch nicht spießbürgerlich rüber, sondern natürlich und ungezwungen. Mit ein wenig Phantasie konnte man die Grafen und Herzöge vor sich sehen, wie sie bei gutem und nicht zu knappem Wein mit den Edelfräuleins kokettierten.
    Ein Portier nahm mir das Jackett ab und fragte, wo ich zu sitzen wünsche. Als ich sagte, dass ich zu Schlemmbachs Gesellschaft gehörte, verwandelte sich seine routinierte Freundlichkeit in schleimige Unterwürfigkeit. Beziehungen waren halt alles.
    »Darf ich vorausgehen?«
    »Nur zu«, war ich aber auch nie um eine Antwort verlegen.
    Im Raum ging es hoch her. Obwohl alle von dem Mord wissen mussten, wurde zu »Hoch auf dem gelben Wagen« geschunkelt. Einige der Herren hielten Damen im Arm, die, nach Alter und Aussehen zu schließen, bestimmt nicht ihre Gattinnen waren.
    »Auf, Freunde, starten wir eine Polonaise. Ah, Lannen, schließen Sie sich uns an!«, hielt es auch Schlemmbach nicht mehr auf seinem Platz.
    Ich winkte freundlich lächelnd ab, besorgte mir an der Theke ein Bier und setzte mich neben Reppert. Belustigt folgten wir dem Umzug. Eine vollbusige Blondine klebte mit den Händen am Hinterteil des Bürgermeisters, der seine kurzen Arme wie ein Tambourmajor im Kölner Karneval schwang. Der Rest der zehnköpfigen Karawane benahm sich genauso gesittet.
    »Schlimme Sache, das mit Küppers«, versuchte ich, mit Reppert ins Gespräch zu kommen.
    »Ja, ein talentierter Junge. Ich verstehe nicht, wer zu so was fähig ist. Vielleicht die Konkurrenz.«
    »In der Westfalenliga? Ist das nicht die sechste Klasse?«
    Reppert grinste mich mitleidig an.
    »Wann haben Sie zuletzt für Geld gespielt und für wie viel?«
    »Vor vielleicht zehn Jahren für hundert Mark pro Monat.«
    »Die Zeiten haben sich geändert. Heutzutage leben auch die sogenannten Amateure vom Fußball, zumindest in den höheren Klassen. Unsere Jungs gehen bestimmt mit einem Riesen netto nach Hause. Den Rest verdienen sie sich durch einen Posten im Unternehmen eines Sponsors. Alles in allem dürfte sich das Monatsgehalt eines Spitzenspielers der Liga auf drei- bis viertausend Euro belaufen. Sie können sich vorstellen, was für den Verein auf dem Spiel steht, wenn der Erfolg ausbleibt.«
    »Und wer ist der Hauptkonkurrent?«
    »Die Billerbecker. Die haben fünfundsiebzigtausend in neue Spieler investiert, haben sich sogar zwei ausgemusterte Bundesligaspieler und mehrere Amateure von Profimannschaften an Land gezogen. Eine solvente landwirtschaftliche Genossenschaft steht dahinter.«
    »Und knallen den besten Spieler des Mitfavoriten ab?«
    Fridolin zuckte mit den Achseln: »Klingt nicht sehr wahrscheinlich, ich weiß. Aber Küppers war eine Granate. Ich habe mich gefragt, wie Schlemmbach es geschafft hat, ihn nach Dülmen zu holen. Der hätte locker ein bis zwei Klassen höher spielen können.«
    Ich ging zur Theke und holte Nachschub. Die Polonaise hatte sich inzwischen aufgelöst, und einige Paare schwoften zum Schneewalzer. Auf meinem Platz hatte sich Schlemmbach breitgemacht. Die Blondine saß auf seinem Schoß und bespritzte ihn mit Sekt.
    »Sieh nach, ob noch Bier da ist. Fritzi hat was zu besprechen«, schien der Bürgermeister wenig amüsiert und schob sie vom Oberschenkel.
    Gleichzeitig forderte er mich mit einer jovialen Handbewegung zum Hinsetzen auf, und sein Gesicht nahm einen bekümmerten Ausdruck an.
    »Küppers soll direkt neben Ihnen erschossen worden sein. Muss ein Schock für Sie gewesen sein. Ich kann es noch immer nicht fassen, dass so etwas Schreckliches in meiner Stadt passiert ist«, rollte ihm eine Träne aus
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