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Mein perfekter Sommer

Mein perfekter Sommer

Titel: Mein perfekter Sommer
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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treiben könnte. Jetzt weiß ich, was gemeint ist, wenn man sagt, dass ein Elefant im Raum steht. Allerdings hab ich das Gefühl, es ist ein ganzer Zirkus, inklusive Akrobaten, Bälle balancierenden Seelöwen und scheppernder Blaskapelle mit dem Lied »Deine Eltern trennen sich!«.
    Aber ich sag kein Wort.
    Ich rede mir ein, dass ich überreagiere, paranoid werde oder sonst was. Schließlich hat Großmutter wirklich Probleme mit ihrer Hüfte und Dad hat auch schon von neuen Kunden in Europa gesprochen. Aber so sehr ich auch versuche, das dumpfe Gefühl in der Magengrube zu ignorieren, es will mir nicht gelingen. Wegen dem letzten Mal.
    Das war in meinem ersten Jahr auf der Highschool. Dad war einen Monat lang weg  – eine Geschäftsreise haben sie hoch und heilig geschworen  – aber ich hatte Mom zwei Mal beim Weinen erwischt, ganz allein in der Waschküche zusammengekauert, weil sie dachte, ich wäre oben. Und dann kam er zurück und sie fing an, diese Fummel zu tragen und jede Woche zum Friseur zu gehen und aufwendig Essen zu kochen und es im perfekten Esszimmer zu servieren. Niemand hat je etwas dazu gesagt und ich kann noch immer keine Worte für die Frage finden.

    Am Ende lass ich mein Essen stehen, mir ist der Appetit vergangen. »Darf ich aufstehen? Olivia holt mich gleich ab.«
    »Du gehst aus?« Mom zögert.
    Ich bin schon aufgestanden und nicke. »Miriam Park macht einen Mädchenabend«, lüge ich und bringe ein Mädchen aus meinem Literaturkurs ins Spiel, die in einem Benzin fressenden Geländewagen herumfährt und auf Pfennigabsätzen zum Unterricht stöckelt. Meterhohen Pfennigabsätzen! Mom liebt sie natürlich.
    Wie ich gehofft hatte, entspannt sich ihr Gesicht. »Oh, ihr habt bestimmt Spaß.«
    »Um halb zwölf bin ich wieder zu Hause.«

3. Kapitel
    Ich schnappe mir meine Tasche und warte vor dem Haus, dort balanciere ich auf dem Kantstein hin und her wie früher als kleines Mädchen. Wir wohnen am Ende einer ruhigen Sackgasse mit ordentlichen Vorgärten und frisch gepflanzten Bäumen, zwischen denen jeweils genau sechs Meter Abstand ist. Die sehen genauso dünn und bemitleidenswert aus wie damals, als wir eingezogen sind. Ich hab Sehnsucht nach Gras, das nicht zentimeterkurz runtergemäht ist und nach mehr wild lebenden Tieren als den paar Vögeln hier und dem herumstreunenden Fuchs. Olivias Eltern wollten mit uns wegfahren, zum Campen in einem Nationalpark, damit wir die Natur, für deren Rettung wir uns so ins Zeug legen, auch tatsächlich mal genießen können, aber ich vermute, das ist jetzt auch vom Tisch.
    Seufzend kicke ich einen kleinen Kiesel den Rinnstein entlang, während ich an den Sommer denke, der stattdessen vor mir liegt. Großmutters Wohnanlage ist sandfarben gefliest, türkise Wasserbecken sind in den Boden eingelassen und an jeder Ecke steht eine einsame Palme in einem
Blumentopf. In den pastellfarbenen Räumen gibt es Alarmknöpfe, Golfmobile mit Elektromotor sausen die Straßen entlang und karren die Bewohner zu frühen Abendessen und zum Bridge im Gemeindehaus.
    Ich glaub, einen anderen Teenager hab ich da überhaupt noch nie zu Gesicht gekriegt.
    Als Olivias gebrauchter blauer Honda angeklappert kommt, ist meine düstere Stimmung schon in Selbstmitleid übergegangen.
    »Disneyworld besuchen, Boccia spielen lernen und komplett den Verstand verlieren«, sage ich, als ich die Tür aufgezerrt und mich in den Beifahrersitz fallen gelassen habe.
    »Was?« Sie würgt den Motor ab, fährt ruckelnd wieder an und wendet nicht so ganz sauber in drei Zügen. Na ja, fünf.
    »All das kann ich in Orlando machen«, seufze ich. »Meine Mom schleift mich mit. Für den ganzen Sommer.«
    »Orlando!« Ihre Empörung ist eine Wohltat. »Aber …«
    »Ich weiß.«
    »Und …«
    »Genau.« Im Grauen vereint schweigen wir, während ich im Handschuhfach nach einer neuen CD suche. Die Polaroid Kids : Die kennen sich aus mit Einsamkeit und Schmerz.
    »Was soll ich denn ohne dich machen?«, jammert sie und biegt widerrechtlich links ab. »Wir wollten vor der Handelskammer für fairen Handel protestieren! Und bei uns am Pool liegen! Und uns bei allen Abschlusspartys einschleichen!«

    »Das wirst du jetzt alles mit Cash machen müssen.« Ich rutsche noch tiefer in den Sitz.
    »Wir treffen uns doch irgendwie erst seit drei Wochen«, protestiert sie, aber ich erwische sie trotzdem beim Rotwerden.
    »Du mahagst ihihn ehecht«, sage ich im Singsang und bin ganz froh über den Themenwechsel. »Du
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