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Mein Onkel Ferdinand

Mein Onkel Ferdinand

Titel: Mein Onkel Ferdinand
Autoren: Horst Biernath
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hörte ich meinen Vater fauchen, »wie du dich aufführst, Ferdinand! Ein Mann an der Schwelle des Greisenalters! Bar jeder Spur von Charakter und Rückgrat!«
    »Ja, ich bin älter geworden«, gab Onkel Ferdinand mit ein wenig zerknirschter Stimme zu, »aber was ist das für eine Art von dir, Georg, einem Menschen sein Alter vorzuwerfen? Was kann ich dafür, daß ich nicht mehr so knusprig bin wie früher? Die Jahre kommen einfach und gehen über einen hinweg, ob man sie haben will oder nicht. Aber was sind schon achtundfünfzig Jahre für ein Alter? Das ist doch nicht zu spät, um noch einmal von vom anzufangen. Ich brauche nichts als einen neuen Start. Und wahrhaftig, ich fühle mich wie zwanzig! Sei vernünftig, Schwager, hilf mir noch dieses einemal auf die Beine. Ich schwöre dir, es ist das letztemal, daß ich deine Hilfe in Anspruch nehme!«
    Mir war es, als hörte ich die spärlichen Haare auf dem Haupte meines Vaters bei seinem entschiedenen und zornigen
    Kopfschütteln rauschen: »Ich habe fünf-, nein, zehnmal versucht, dir auf die Beine und zu einer anständigen Existenz zu verhelfen! Die ganze Familie hat es versucht! Alle haben dich unterstützt, Ferdinand! Alle haben für dich getan, was sie nur tun konnten. Oft genug mehr, als sie zu leisten vermochten. Und was hast du getan? Jedesmal hast du das Geld vertan! Verspielt! Versoffen! Durchgebracht!«
    »Nein, Georg, das kannst du nicht sagen, das geht zu weit!« beteuerte drüben Onkel Ferdinand und schlug sich dabei dröhnend auf die Brust. »Deine Vorwürfe sind ungerecht. Gewiß, ich kippe mal ganz gern einen hinter die Binde, und auch zwei, und ich habe auch den dritten nie ausgeschlagen, wenn es durchaus sein mußte, aber das hat mich noch niemals umgeworfen. Mein ganzes Unglück ist, daß ich ein Pechvogel bin, ein notorischer Pechvogel, jawohl! Mir geht eben alles daneben. Aber diesesmal nicht! Das schwöre ich dir. Wenn du mich noch dieses eine Mal aus dem Modder ziehst, dann stehe ich fest auf meinen Beinen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.«
    »Schluß!« schrie mein Vater. »Immer ist es das letztemal gewesen! Deine Schwüre kannst du dir ersparen! Meine Geduld ist erschöpft, und meine Ersparnisse sind erschöpft! Von mir hast du nicht einen Pfennig zu erwarten. Schau zu, bei wem von der Familie du mehr erreichst als bei mir. Ich fürchte, du wirst wenig Glück haben...«
    »Lumpige fünfhundert Eier...«, hörten wir den Onkel seufzen, »ich verstehe nicht, Georg, wie du dich wegen dem bißchen Puttputtputt gleich so auf regen kannst.«
    Vaters Stimme überschlug sich.
    »Eier! Puttputtputt!« schnaubte er erbittert, »deine ganze Einstellung dem Gelde gegenüber liegt in diesen nichtswürdigen Ausdrücken! Eier... mir steigt die Galle hoch, wenn ich das nur höre! Puttputtputt... Du hast ja keine Ahnung, was Geld überhaupt ist!«
    »Theoretisch weiß ich darüber wahrscheinlich nicht so gut Bescheid wie du«, murmelte Onkel Ferdinand, »dafür praktisch um so mehr.«
    Man konnte die Szene in meines Vaters Zimmer wie in einem Hörspiel verfolgen. Sogar die Geräusche fehlten nicht. Die Federn des Sessels unter der Stehlampe krachten vernehmlich. Onkel Ferdinand schien sich zu erheben, während die Sohlen meines Vaters nach wie vor in erregtem Hin und Her den blauroten Afghanenteppich klopften.
    »Na, dann also nicht, liebe Tante«, sagte Onkel Ferdinand schicksalsergeben. »Ich nehme dir die Absage nicht übel, Georg, und es ist ja auch weiter nicht so schlimm. Und es ist im Grunde auch völlig wurscht, was nun aus mir wird. Schade nur um die schöne Existenz, die ich mir mit ein paar Kröten hätte aufbauen können.« Lange Pause, und dann noch: »Na ja, was hegt auch schon an einem Mann wie mir? Die Welt wird nicht ärmer, wenn ich einmal nicht mehr bin...«
    Mein Vater hustete hart und spröd.
    »Ich kenne auch diese Töne von dir, Ferdinand!« sagte er rauh und unnachgiebig, »laß das! Damit lockst du mir keinen roten Heller aus der Tasche. Sieh zu, wie du zu deinem Gelde kommst. Von mir bekommst du es jedenfalls nicht! Und das ist mein letztes Wort in dieser Angelegenheit!«
    Also abgeschlagen.
    Armer Onkel Ferdinand! Es schien schlecht um ihn zu stehen, denn wann hatte es das schon jemals gegeben, daß er die Flinte bereits nach dem ersten abgeschlagenen Pumpversuch so mutlos ins Korn geworfen hatte?
    Die Tür öffnete sich, und Onkel Ferdinand trat hinter meinem zorndampfenden Vater ins Speisezimmer.
    »Hallo, Hermann,
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