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Mein Onkel Ferdinand

Mein Onkel Ferdinand

Titel: Mein Onkel Ferdinand
Autoren: Horst Biernath
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nämlich für die Ablösung des Büros inklusive Firmenname, Möbeln, Kartothek und dem übrigen Kram zu zahlen. Aber — ich kann doch ein vornehmes Institut, ein Unternehmen von Weltruf sozusagen, nicht in den Klamotten übernehmen, die ich am Leibe trage. Da brauchte ich noch mindestens zweihundert Piaster dazu. Na, siehst du, Georg, und das geht eben nicht. Nein, das geht wirklich nicht! Was zuviel ist, ist zuviel!«
    Es war einfach großartig, wie der alte Halunke meinen guten und arglosen Vater einseifte und über den Löffel halbierte.
    »Komm schon, Ferdinand«, drängte mein Erzeuger sanft, »trink noch ein Schnäpschen, mein Lieber — sehr zum Wohle! —, und selbstverständlich mußt du anständig angezogen sein. Das ist doch sonnenklar. Aber nun sag mir doch endlich einmal, worum es sich bei dem Unternehmen eigentlich handelt.«
    Onkel Ferdinand hob das Spitzglas, er visierte meinen Vater lange über den Spiegel des Steinhägers hinweg an und nickte schließlich, als sähe er nach reiflicher Überlegung wahrhaftig keinen Grund mehr, weshalb er seine Zukunftspläne länger mit dem Schleier des Geheimnisses umhüllen sollte. In seine blauen Augen trat ein feierlicher Glanz.
    »Es handelt sich um ein Detektivbüro«, sagte er schließlich strahlend.
    »Um was?!« schrien meine Eltern gleichzeitig.
    »Um ein Detektivbüro!« wiederholte Onkel Ferdinand mit überdeutlicher Stimme und mit Lippenbewegungen, als spräche er zu Schwerhörigen oder völlig Tauben, »habt ihr noch nie von so etwas gehört? Eine Auskunftei, ein Beobachtungsinstitut!
    Detektei >Greif<... Klingt gut, wie? Ja, vornehmstes und ältestes Unternehmen am Platz. Auskünfte, Ermittlungen und Beobachtungen aller Art. Streng diskret. Beste Referenzen im In-und Ausland. Zahllose Dankschreiben zufriedener Klienten. Spezialität: Alimentationsangelegenheiten. Na, Georg, na, Mathilde, was sagt ihr nun? Ist das eine Sache oder nicht, he?«
    Mein Vater gab keine Antwort. Er hing wie gebrochen in den Armstützen seines Sessels. Und meine Mutter biß sich in den Knöchel des Zeigefingers, als müsse sie einen Schrei unterdrücken.
    »Institut Greif...«, murmelte Vater schließlich kraftlos, »ich erinnere mich, den Namen ein paarmal im Anzeigenteil der Zeitung gelesen zu haben. Nun, es ist wenigstens ein Deckname. Und immerhin besser als...«, und er bedeckte, als sähe er Onkel Ferdinand bereits im goldverschnürten Frack und mit dem roten Käppi auf dem Schädel vor sich, seine Augen schaudernd mit der Hand.
    »Du hast siebenhundert gesagt, nicht wahr?« fragte er nach einer geraumen Weile mit abgeschnürter Stimme.
    »Genau siebenhundert!« bestätigte Onkel Ferdinand mit einer salutierenden Handbewegung, als erteile er dem hervorragenden Zahlengedächtnis meines Vaters ein Lob.
    »Nun ja, Ferdinand«, meinte Vater zögernd, »aber wie stellst du dir die Leitung solch eines Unternehmens eigentlich vor? Ich meine doch, daß man auch in dieser Branche über eine Menge Erfahrungen verfügen muß...«
    »Erfahrungen?« fiel Onkel Ferdinand dröhnend ein, »Mann Gottes, das ist es ja eben, daß ich der richtige Mann am richtigen Platz bin! Menschenskind, ich habe doch drüben« — und er deutete mit dem Daumen über seine mächtige Schulter irgendwo westlich in die Welt hinaus, »ein volles Jahr als Greifer gearbeitet!«
    Mein Vater bekam bei dem Ausdruck >Greifer< wieder einmal nervöse Gesichtszuckungen, und meine Mutter hustete scharf, aber Vater schenkte sich mit zitternden Fingern noch einen Schnaps ein und goß ihn, als schlucke er eine gallebittere Medizin, mit einem völlig verzagten Gesichtsausdruck hinter die Zähne.
    »Ich werde dir einen Scheck über siebenhundert Mark ausstellen, Ferdinand«, sagte er dumpf. »Aber eines schwöre ich dir, so wahr ich hier sitze, und Mathilde und Hermann sind meine Zeugen: wenn du auch diesesmal versagst, bleibt dir mein Haus in Zukunft verschlossen!«

3

    Das Haus in der Schmiedestraße, das der Krieg verschont hatte, war in den achtziger Jahren von einem jener genialen Architekten erbaut worden, die ihren Ehrgeiz dareinsetzten, Hausflure grundsätzlich fensterlos zu lassen und in jeder Fünfzimmerwohnung mindestens zwei sogenannte Kabinetts unterzubringen, Schlafräume, in die weder Sonne noch Mond hineinschienen.
    Die Fassade war von einem schmutzigen Grau, und überall bröckelte der Putz ab.
    Onkel Ferdinand lotste mich durch den Vorflur ins Treppenhaus: »Immer links halten, Hermann!« warnte er
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